Ein bisschen vorab-wehmütig sind wir heute schon. Unser letzter voller Tag an der Schlei ist angebrochen. Aber wir wollen ihn noch mal so richtig genießen, bevor es morgen ins Corona-NRW zurückgeht.
Frühpaddeln
Annette macht es schon mal richtig. Sie schaut aus dem Alkovenfenster, sieht die wunderbare Morgenstimmung über der Schlei und entscheidet sich spontan dazu, in den Scubi zu steigen und den Tag auf dem Wasser zu beginnen. Auf dem Kajak ganz allein den stillen Morgen zu begrüßen – das hat schon was. Zumindest, wenn man die Kälte abkann. Denn auch in dieser Nacht hatten wir wieder Minusgrade – dieser April ist wirklich nichts für Warmduscher.
Rein und raus
Eigentlich würden wir liebend gerne nur draußen sitzen. Aber sobald eine größere Wolke durchzieht, kühlt einen der Wind reichlich flott auf Kühlschranktemperatur ab. Zwischendurch wärmen wir uns gerne im MoMo auf, während wir lesen, Tagebuch schreiben oder den Hunden beim Spielen zugucken.
Wenn man die Bilder von den sich gründlich putzenden Schwänen sieht, glaubt man nicht, dass meine Finger nachher ganz schön runtergekühlt waren.
Noch mal aufs Rad
Annette erweist sich mal wieder als Trüffelschwein. Sie hat eine Radtour zum Naschikönig gefunden. Ich hatte auch schon flüchtig von diesem Süßigkeiten-Eldorado gelesen, dachte aber, dass es so eine große Süßigkeiten-Massenabfertigung a la Haribo-Outlet sei. Ich hätte nicht falscher liegen können…
Wir schwingen uns wieder auf die Räder und fahren jetzt schon wie alte Hasen zur Fähre in Missunde, um dort über die Schlei überzusetzen. Auf den fest eingeplanten Stop im Kuchenhaus müssen wir leider verzichten, da dort leider alles zu ist.
Die Fähre in Missunde erinnert uns an die gelben Fähren in Schweden, mit denen man kostenlos übersetzen kann. Hier bezahlt man einen überschaubaren Betrag für die kurze Überfahrt, spart aber dadurch den weiten Umweg über Schleswig oder die Lindaunisbrücke, wenn man ans südliche Schleiufer will.
Ein Gesamtkunstwerk
Nachdem wir ein paar Kilometer durch den Missunde Wald geradelt sind, kommen wir in Weseby an. Es gab zwar unterwegs Wegweiser zum Naschikönig, aber man hat trotzdem den Eindruck, immer weiter aufs flache Land zu fahren. Nichts deutet auf eine Attraktion hin. Und als wir dann am Kiosk angekommen sind, wissen wir auch, warum.
Denn das hier ist keine Markthalle mit großen Boxen von Süßigkeiten, wo man noch ein paar Gebinde von den ohnehin schon bekannten großen Marken kriegen kann. Das hier ist das ultimative „Büdchen“. So wie wir alle es aus unserer Kindheit kennen, aber mit einer Auswahl, die einen sprachlos macht.
Es gibt über 600 Sorten von Süßigkeiten und Lakritz, die jede mit einem kleinen Schild und Foto vorgestellt werden. Weil sich das kein Mensch (außer dem Chef) alles merken kann, gibt es Zettel und Stifte zum Notieren der Wünsche, wenn man mit dem Bestellen dran ist.
Und das kann schon mal dauern. Denn Peter Viergutz, der den Naschikönig seit 15 Jahren betreibt, ist ein Traum von einem Büdchenbesitzer. In aller Seelenruhe nimmt er die Bestellungen auf, erklärt ausführlich, wie man die jeweilige Süßigkeit am besten genießt („Und bloß nicht auf dem Tisch liegen lassen, sonst sind die sofort weg!“) und notiert die Einzelposten mithilfe seines Abakus. Ein Konzept, das bei den vielen kleinen Mengen auch absolut Sinn ergibt: Jede Kugel steht für 5 Cent. Und nach jeder Bestellrunde wird die Zwischensumme auf einem Zettel notiert und addiert. Nix Taschenrechner!
Was einen fast schon nervös macht, wenn man an die Leute denkt, die in der Schlange hinter einem stehen: Die absolute Ruhe, die Peter ausstrahlt. Nicht zu verwechseln mit Langsamkeit. Sein Motto: „Je länger die Schlange wird, desto ruhiger werde ich.“ Und einmal hätten sie um 17 Uhr aufhören wollen, es wären aber erst um 21 Uhr alle Kunden fertig bedient gewesen. Wer ihn einmal erlebt hat, glaubt das sofort.
Vorab haben wir schon seine Frau Hannelore kennengelernt. Sie gab uns den guten Tipp, eine gemischte Dose Lakritz zu kaufen, um mal möglichst viel probieren zu können. Aber vor allem: Vor dem Probieren ein Foto von der Lakritzspezialität zu machen. Denn wenn man sie einmal im Mund habe, könne man ja schlecht noch mal nachgucken… Und dann zu beschreiben, was man da so lecker fand, würde immer zu Problemen führen. Mit dem Foto hingegen könne ihr Mann das Objekt der Begierde zielsicher identifizieren. Pfiffig!
Und außerdem sollte man, wenn man schon mal da ist, nicht nur eine Süßigkeiten-Tüte füllen lassen, sondern am besten noch Waffel und Käsekuchen to go bestellen. Zwar können wir uns coronabedingt nicht an einen Tisch setzen, aber im Gras schmeckt es ja auch ganz gut.
Ich habe es nicht kommen sehen, aber der Naschikönig ist ein absolutes Highlight unseres Kurztrips! Wer mal jemanden in seinem Element erleben will, der genau seine Nische im Leben gefunden hat und eine tiefe Zufriedenheit ausstrahlt, sollte den Besuch bei Peter auf jeden Fall in seine Tour einbauen. Ich freue mich jetzt schon aufs Wiederkommen!
Kick-Pause
Wir fahren ein paar Meter weiter und genießen den Blick auf die von den Sonnenstrahlen glitzernde Schlei, die hier fast ein bisschen an den Ringkøbing-Fjord in Dänemark erinnert. Es gibt sogar ein Stück mit Mini-Sandflächen und Picknickbänken. Wir öffnen feierlich unser weißes Tütchen mit den roten Herzen darauf und ich entnehme zwei „Kick“-Bonbons, die Peter so beschrieben hat: „Kennst du die Muh-Muh-Bonbons? So sind die, aber noch mit Lakritz dabei.“ Recht hat er. Mjam!
Groß-Shopping
Etwas, was wir auf unseren Reisen ja immer gerne machen, ist das Shoppen von lokalen Spezialitäten. Hier werden wir im Hofladen vom Biobauernhof Bluschke fündig. Dort gibt es allerlei lecker aussehende und riechende Wurstwaren, sodass wir uns üppig für die kommenden Frühstücke eindecken. So haben wir noch ein bisschen länger etwas von unserem Besuch an der Schlei.
Abschiedsstimmung
Als wir wieder am MoMo ankommen, wird leider auch klar: Das ist jetzt schon der letzte Abend an der Schlei. Zeit für ein kurzes Fazit.
Was halten wir vom Modellprojekt? Unsere Erfahrungen sind rundherum positiv. Mit den gängigen AHA-Regeln und FFP2-Maske haben wir auch nicht mehr „gefährliche“ Kontakte als Zuhause und kamen ansonsten durch unser autarkes MoMo auch nicht in Räume wie Toiletten und Duschen, wo man sich eventuell ohne Maske infizieren könnte. Hier geben sich wirklich alle Leute Mühe, dass Tourismus auch in Corona-Zeiten funktionieren kann.
Wir drücken sehr die Daumen, dass dieses Modellprojekt ein klares Ergebnis ergibt, dass man mit den üblichen AHA-Regeln reisen kann, ohne sich und andere zu gefährden.
Liebe Annette, lieber Michael
Mit grossem Interesse verfolge ich eure Tour an der Schlei.
Wir waren dort auch schon mehrfach. Schleswig – Kappeln – Massholm. Alles sehr sehenswert. Auf in diesem Jahr steht es auf unseren Reise-Wunschliste, aber eben, ob der Virus es zulässt?
Ich wünsche euch viel Spass weiterhin und freuen mich auf weiter Beiträge.
Michael