Eine merkwürdige Nacht liegt hinter uns. Irgendwo auf dem Campingplatz wurde gefeiert. Sehr lauthals. Auch noch um 3 Uhr nachts. Zu unserem Glück so weit weg, dass wir nicht bei jedem „Hey!“ senkrecht im Bett stehen, aber auch so, dass man nicht wirklich ruhig schläft. Wir wissen schon, warum wir gerne irgendwo im Nirgendwo stehen.
Entsprechend verschlafen und spät kommen wir in die Gänge. Dabei steht doch heute eigentlich eine coole Wanderung auf unserem Programm. Hinauf zum Årdalsknapen, einem Berg oberhalb des Campingplatzes. Wir wollen noch einen zweiten Lindeknuten entdecken.
Etwas zu steil
Es startet ideal. Die Wanderung beginnt direkt am Campingplatz, sodass wir das MoMo nicht mal bewegen müssen. Aber dann geht es sofort steil bergauf. Also: steil. Und das ganze verbunden mit dem norwegischsten aller Wege: Stock, Stein, steil, schmal. Puh!
Wir kommen schon auf den ersten 500 Metern ganz schön aus der Puste.
Nachdem wir uns noch mal 500 Meter weiter nach oben gearbeitet haben, kommen wir an eine Stelle, die kribbelig ist. Feuchte, glitschige Felsen oder matschiger Waldboden und steile Schrittfolgen. Kann man machen. Muss man aber nicht. Denn bis hierher hat uns der Weg nicht wirklich begeistert und die Vorstellung, dieses steile Stück zum Schluss nach einer ordentlichen Wanderung mit Puddingbeinen noch zu machen, reizt uns jetzt auch nicht wirklich. Wir kehren um.
Schöne Aussicht
Für den Rückweg wählen wir eine etwas weniger steile Variante, die 300 Meter südlich des Campingplatzes auf den See trifft. Und schwuppdiwupp sieht es wieder anders aus. Der Weg ist bei Weitem nicht so unwegsam und wir können sogar ein kleines Picknick machen und den Blick auf Camping und See genießen. Reicht uns.
Als wir am See ankommen, studieren wir das Wanderschild und können nur bestätigen: sehr anspruchsvoll.
Abfahrt
Von dem knappen Stündchen sind wir trotzdem gut durchgeschwitzt. Nachdem wir uns noch mal geduscht haben, brechen wir unsere Zelte am Byglandsfjord ab.
In Evje frönen wir noch mal unserer Sport-Outlet-Sucht und frischen unsere Vorräte auf. Für uns schließt sich hier ein Kreis, denn vor einer guten Woche sind wir hier auf dem Weg ins Kvindesdal schon mal vorbeigekommen. Ein sicheres Zeichen, dass sich die Reise dem Ende nähert.
Drifter
Wir sind auf der Suche nach einem Platz für die kommende Nacht, der ungefähr auf halber Strecke Richtung Lillesand liegt. Denn in Lillesand und den anderen Orten am Meer in Richtung Langesund soll es noch ein paar Tage Sommer geben. Richtung Westen: eher nicht so.
Heute wollen wir noch nicht ganz so weit kommen. Wir fahren die sehr entspannte FV 9 entlang mehrerer Seen Richtung Süden. Auf Höhe von Skarpengland biegen wir ab und finden immer häufiger die merkwürdigen kreisrunden oder wellenförmigen schwarzen Spuren auf der Fahrbahn.
Das Driften, bei dem dieser schwarze Reifenabrieb entsteht, gehört in Skandinavien irgendwie zur Folklore dazu. Immer wieder sieht man die Spuren auf der Straße. Aber so extrem und gehäuft wie gerade hier haben wir es noch nie gesehen. Da gibt es regelrechte Pirouettenkreisel oder sehr gleichmäßige Schlangenlinien. Es hat fast schon etwas Kunstvolles. Wer sich für so was interessiert: Besser (und häufiger) als hier in Skarpengland wird es wohl nicht mehr.
Seecamping
Hinter Skarpengland wird die Straße zu einsam, dass sich das Driften hier wohl nicht mehr lohnt. Wir werden aber mit einer wieder etwas anders aussehenden Landschaft belohnt. Alles wirkt hier etwas beschaulicher und nur noch gezähmt wild. Aber es ist immer noch unverkennbar Norwegen.
Wir landen schließlich auf dem Bjønndalen Campingplatz. Der Kontrast zum Platz in Neset könnte gar nicht größer sein. Statt des großen Byglandsfjord gucken wir auf den sehr übersichtlichen, aber trotzdem schönen See Løyningsvannet. Statt Asphalt haben wir Gras unter den Rädern. Statt Trubel, Party und Kindergejauchze gibt es gerade mal 20 Plätze. Und die Wahrscheinlichkeit, dass wir hier eine Mutter wie am Sandkasten in Neset sagen hören „Claude-Jean-Pierre, das machen wir nicht, mit der Schippe auf den Kopf hauen!“ ist auch eher gering.
Trotz fehlendem Luxus fühlen wir uns wohl. Anscheinend sind diese kleinen, familiären, beschaulichen Plätze eher was für uns. Und als ich abends beim zahnreduzierten, freundlichen Platzwart Alf unsere 150 Kronen bezahle, fühlt sich das sehr nach guter alter Zeit an.
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