Ich habe gedacht, dass der Wetterbericht spinnt, der uns vorhersagt, dass die Nachttemperatur nur auf 15° absinken soll. Aber es ist wirklich wie ein Sommertag hier an der Smaragdküste. Damit hatten wir nach dem herbstlichen Regentag gestern nicht mehr gerechnet. Und auch unser Stellplatz hoch über der Bucht ist ein Volltreffer. Oder gibt es viel bessere Dinge, als morgens aus dem Fenster aufs Meer zu blicken?
Gezeiten
Am Morgen stehen die Zeichen noch auf Flut. Alles sieht so aus, wie man es von einer Bucht erwarten darf. Aber schon wenig später werden die ersten Muschelbänke sichtbar. Und schließlich tauchen all die schwarzen Gestelle auf, an denen wahrscheinlich Abertausende von Miesmuscheln hängen. Ein paar Schiffe sind offensichtlich mit der Ernte beschäftigt. Es ist faszinierend, dabei zuzusehen, wie das Wasser in der Bucht immer mehr verschwindet und ich frage mich, was die mit den Schiffen machen, wenn sie auf Grund laufen.
Spontaner Genuss
Irgendwann entscheiden wir uns dann aber doch für den Aufbruch. Wir wollen die Halbinsel von Saint-Jacut-de-la-Mer umrunden. Auf dem Weg entdecken wir vor der großen Brücke über die an dieser Stelle mittlerweile schon trockengelaufene Bucht ein Restaurant, was sogar geöffnet hat. Außerhalb der Saison hier nicht immer selbstverständlich. Und Annette recherchiert im Internet schnell, dass das Gilles de Bretagne anscheinend was kann. Zumindest die Fotos sehen gut aus.
Spontan beschließen wir, dorthin zurückzufahren. Da es aber keine Wendemöglichkeit gibt, fahre ich noch Richtung Saint-Jacut ab und entdecke, dass das Navi uns über die Straße zum Château du Guildo zurückführen will. Perfekt! Aber nur wenig später machen wir ein langes Gesicht, weil die Straße für Fahrzeuge über 2,10 m und/oder 2,10 m Breite gesperrt sein soll. Diesmal habe ich aber meine Lektion von gestern gelernt. Das wollen wir doch mal sehen! Ich fahre also weiter. Und siehe da, erst vor dem Parkplatz für das Château ist eine Verengung mit nochmaligem Verbot der Durchfahrt. Hier wäre ich dann auch umgekehrt. Aber es kommt für uns noch besser. Denn Annette hat den Geistesblitz, dass wir das MoMo ja hier parken und zu Fuß zum Restaurant gehen können. Denn ein Verbotsschild für Womos gibt es hier nicht.
Wir gehen also den steilen Berg hinunter zur Brücke, sind mal wieder beeindruckt von der Ebbelandschaft mit umgekippten Bötchen und nehmen kurz darauf Platz im Gilles de Bretagne. Und weil es so sommerlich ist, sogar auf der Terrasse am „Ufer“.
Die Bilder von Google haben uns nicht getäuscht: Es ist wirklich ausgesprochen lecker. Für mich war die Wahl schnell klar: Moules Frites hat es auf diesem Trip noch nicht gegeben und das soll sich schleunigst ändern. Annette macht da eher eine Überraschungsbestellung: „Merlu rôti hört sich doch gut an. Ich wollte was Gebratenes.“ Meine Nachfrage, was denn ein Merlu sei, beantwortet sie mit einem Achselzucken: „Wird schon lecker sein.“ Wir lösen die unerträgliche Spannung für euch mal auf: Merlu ist ein Seehecht und schmeckt ausgesprochen gut. Zumindest, wenn er so gut zubereitet wird wie hier. Und auch über meine Muscheln kann ich nichts Schlechtes sagen. Eher im Gegenteil: Eine so üppig mit frischesten Miesmuscheln gefüllte Schüssel habe ich selten bekommen!
Mit vollem Bauch unterwegs
Bestens gelaunt gehen wir nach diesem köstlichen Mahl zurück zum MoMo, um die Hunde für die Wanderung herauszuholen. Denn das Wandern war ja unser eigentliches Vorhaben für den Tag!
Jetzt ist es 15 Uhr und wir beschließen, dass wir halt so weit gehen, wie wir können und wollen. Es gibt natürlich auch hier wieder den markierten Zöllnerpfad. Erst etwas zu spät dämmert uns, dass wir den bei Ebbe auch getrost ignorieren und stattdessen einfach unten am Strand entlanglaufen könnten.
Denn es ist immer noch Ebbe, allerdings mit jetzt einsetzender Flut, von der zunächst aber nicht viel zu sehen ist. Im Gegenteil: Mir kommt auf einmal das Lied von Kermit, dem Frosch, in den Sinn, welches wir dann fröhlich mitsingen.
Ich wollt ich wär
unten im Meer.
Ja im Garten eines Kraken möcht ich sein.
(Kermit)
Als wir in der 6. Bucht eine Pause machen, gestehe ich Annette, dass ich bei dem leicht schwülen Wetter irgendwie nicht der fitteste bin. Vielleicht bin ich auch nur von der Schwüle überrascht – das verbinde ich so gar nicht mit der Bretagne!
Wir beschließen, die Wanderung zu halbieren und an der Engstelle der Halbinsel auf die andere Seite zu wechseln, damit wir die Aussicht nach Osten auch mal gehabt haben.
Der Blick nach Osten ist dann erstaunlicherweise gänzlich anders. Hier sehen wir weniger Strände, sondern mehr Salzwiesen.
Und wir lösen die Frage auf, was mit den Muschelernteschiffen passiert, wenn das Wasser weg ist. Antwort: Dann wird halt gefahren!
Die Flut kommt
Nachdem wir die Halbinsel zum zweiten Mal überquert haben, kommen wir wieder zu den Stränden der Westküste zurück. Und dort ist das Wunder der Flut passiert. Wo vorher noch alles voller Algen, Schlick und Muscheln war, ist nun das Wasser zurückgekehrt. Und der Strand sieht auch wieder wie ein Strand aus.
Wir genießen noch mal den Blick aufs Meer, denn ab morgen werden wir die Rückreise antreten. Bretagne, es war wieder wunderschön bei dir und wir kommen sicher nicht erst in 4 Jahren wieder!
Und gut, dass Annette mich abends daran erinnert, dass ich noch mal mit der Drohne übers Château und die Bucht fliegen könnte. Denn die Smaragdküste trägt ihren Namen hier ja nicht zu Unrecht!
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