Unsere heutige Reiseroute ist sicherlich eine Überraschung für den geneigten Leser. Denn es geht jetzt nicht weiter entlang der Küste zu den nächsten Traumstränden und Bergwanderungen, sondern wieder zurück an die deutlich weniger spektakuläre Ostküste.
Warum? Weil wir am Montag in Findhorn bei Inverness sein müssen. Wir freuen uns schon auf die zwei Konzerte der Waterboys in der Universal Hall und außerdem noch einmal die schönen Orte an diesem Küstenabschnitt zu besuchen.
Rein wettermäßig ergibt es ebenfalls Sinn, heute hier wegzufahren. Der Tag beginnt heute eher trüb und mystisch und es soll in der Nacht zu Samstag reichlich stürmisch werden. Ein guter Zeitpunkt, um vorerst Lebewohl zu sagen. Wir wissen aber bombensicher, dass wir hierhin zurückkehren werden. Ein absoluter neuer Lieblingsort!
Buchstäblicher Wilder Westen
Die A832 soll uns wieder in die Zivilisation führen. Aber während es in Meeresnähe immer noch mehr oder weniger lieblich wirkt, wird es auf dem kommenden Teilstück durch die Highlands wahrlich beeindruckend. Die Destitution Road (Straße des Elends) wurde während der Hungersnöte in 1846-47 von verzweifelten Farmern gebaut, die für ihre Arbeitsleistung wenigstens noch etwas zu essen bekamen.
Uns erinnert dieses Teilstück in seiner Kargheit und Monumentalität etwas an die USA. Großartig, um hier durchzufahren. Aber wohnen möchte man hier nicht.
Victorian Railway Cafe
Auf der deutlich besser ausgebauten A835, die von Ullapool nach Inverness führt, fliegen wir dann fast schon dahin in Richtung Osten.
Annette hat uns das kleine Örtchen Strathpeffer (nein, NICHT Pfeffer! Ihr lest das doch auch immer so, oder?) als Zwischenstopp für eine Kaffeepause ausgetüftelt. Als ich in meinen Google-Maps-Notizen stöbere, fällt mir auf, dass hier ja das Victorian Railway Cafe ist, was wir in einem YouTube-Video von Sarah Burns gesehen haben! Sarah ist eine Künstlerin, deren Arbeit und Tutorials Annette sehr mag. Und im Café sind auch ein paar ihrer Bilder ausgestellt. Annette ist ganz aufgeregt – ein richtiger Fangirl-Moment!
Das Cafe befindet sich auf dem Gelände des alten, schon lange nicht mehr betriebenen Bahnhofs aus viktorianischer Zeit. Man sieht dem Bahnhof sein Alter, aber auch seinen Charme an.
Im Cafe gönnen wir uns dann unsere ersten Scones der Reise. Annette bestellt sie sich stilecht mit Tee, staunt dann aber doch, als sie die riesige Kanne sieht, in welcher der Tee an den Tisch gebracht wird. Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis!
Wir bestaunen die diversen Bilder, die ausgestellt sind. Annette tut sich schwer, ein Lieblingsbild zu küren. Denn dass wir eines der Bilder als Andenken mitnehmen wollen, ist fast schon Ehrensache. Ihre Wahl fällt am Ende auf das Bild mit dem mehr als treffenden Titel „On the way“. Es wird einen schönen Platz in unserem Zuhause finden, wird aber erst mal nach allen Regeln der Kunst eingepackt, damit es den Heimweg schadlos übersteht.
Reifen- und Gasnöte
Als wir zum Mannimobil zurückkehren, macht uns unser rechter Hinterreifen Kummer. Irgendwie sieht er platter aus, als er es sollte und wirkt im Vergleich mit dem Reifen auf der Vorderachse etwas schwächlich. Mit einem halben Platten wollen wir lieber nicht noch einmal in die Highlands fahren.
An einer Tanke prüfen wir den Luftdruck. Er ist genau so, wie er sein soll. Das ist schon mal beruhigend.
Auch unsere Gasvorräte sind schon reichlich geschmolzen. Wir müssen uns erst an die Alde-Heizung gewöhnen, die eher wie eine Fußbodenheizung wirkt und ganz stylish mit Temperatursensoren gesteuert wird. Wir haben aber mehrfach so geheizt, dass wir, statt eine Wohlfühltemperatur zu haben, plötzlich in einer Sauna saßen. Nicht förderlich für den Gasvorrat. Wir haben nur noch eine halbe Gasflasche für die kommenden fast drei Wochen. Ein Hoch auf die Tankgasflaschen! Mit denen müssen wir nur eine LPG-Tankstelle anfahren und das Heiznöte ist gelöst.
Und wie es der Zufall will, steht dort der Werkstattwagen eines Tyre Professionals – ein Reifenfachmann! Ich spreche ihn an und er wirft schottisch freundlich einen fachmännischen Blick auf unseren Sorgenreifen. Solange wir bei beiden Hinterreifen den gleichen Druck messen würden und der Reifen so aussehe wie jetzt, würde er sich keine Sorgen machen. Mit Blick auf das lange Heck des Alpa meint er nur, dass ja auch ganz schön Gewicht auf den Rädern laste. Da wäre das normal.
Wir sind erleichtert und fahren vergnügt unserem Ziel entgegen.
Ringel-Leuchtturm
Seit wir im „Reisen Reisen“-Podcast die Folge über Schottland gehört haben, steht der Leuchtturm von Tarbat Ness auf meinem Schottland-Wunschzettel. Michael Dietz hat so von diesem Ort am Ende der Welt geschwärmt, dass man gar nicht umhin kommt, ebenfalls mal dort sein zu wollen.
Wenn man sich die Platzierung des Leuchtturms ansieht, wird das mit dem Ende der Welt schnell verständlich. Am Ende einer ohnehin schon schmalen Halbinsel fährt man meilenweit auf den rot-weiß-gekringelten Leuchtturm zu.
An einem Passing Place hält ein Pickup neben uns an. Ob wir zum Leuchtturm wollten? Sein Name sei Reg und er sei von der Kommunalbehörde. Er überreicht uns einen Zettel mit den Infos für Touristen und der Bitte um Spenden für die Übernachtungsmöglichkeit am Leuchtturmparkplatz. Machen wir doch glatt für so einen schönen Platz für die Nacht!
Wir suchen noch vergeblich nach Delfinen im Meer, die man hier angeblich durchaus mal zu sehen bekommen kann. Dann geht es auf eine kleine Abendrunde mit den Hunden zum Leuchtturm. Es ist schön friedlich hier. Bloß schade, dass die Heide schon größtenteils verblüht ist. Das wäre ein prächtiges Bild! Aber wir sind auch so zufrieden.
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