Die letzten Tage spielte sich im Hause MoMo zuverlässig folgender Dialog ab.
„Morgen fahren wir dann mal weiter, oder?“
„Ja, klar, wir wollen doch noch was Neues entdecken.“
Kurze Denkpause.
„Aber eigentlich könnten wir auch noch einen Tag bleiben. Ist gerade so schön hier.“
„Hast du auch wieder recht. Also bleiben wir noch?“
„Jaaaa!!“
Und noch ’n Tag länger
Solange unsere gut gefüllte Vorratskammer etwas hergibt, gibt es keinen Grund, der uns wirklich hier wegzieht. Die Aussicht, der Strand, die Weite bei Ebbe, das Drama der hereinkommenden Flut – alles sorgt dafür, dass wir hier einen absoluten Wohlfühlplatz gefunden haben.
Auf dem Campingplatz herrscht, für uns komplett unverständlich, immer noch tote Hose. Neben uns stehen vielleicht mal eine Handvoll Fahrzeuge hier und genießen sicherlich genau wie wir, was sich unter ihnen abspielt.
Alles ist herrlich entspannt. Ich gehe alle zwei Tage mal bei Madame an der Rezeption vorbei, halte mit ihr den Verlängerungsplausch in meinem kruden Französisch und ihrem bemühten, aber schlechtem Englisch und wir verstehen uns trotzdem blendend. Und dann versacken wir wieder.
Es wird langsam eng
Das Einzige, was an diesem Platz nicht stimmt, ist die schwache Infrastruktur zu dieser Jahreszeit. Das Baguette gäbe es 1,5 Kilometer entfernt in Kerfissien, aber da wir die Räder nicht aufgebaut haben, ist uns das zu weit weg („Lohnt ja nicht, die Räder herauszuholen, weil wir morgen weiterfahren…“ sagen wir seit 5 Tagen).
Ein Supermarkt wäre noch weiter weg und auch restaurantmäßig ist das hier eine Diaspora. Gar von einem Traiteur müssen wir gar nicht reden.
Aber das ist uns im Augenblick alles herzlichst egal. Wir leeren die Vorräte, bis sich die ersten Lücken auftun. Während das Sprudelwasser sich gut mit stillem Wasser ersetzen lässt, ist das Leeren der Pastisflasche schon betrüblicher. Denn ein Pastis, um den Abend einzuläuten – das hat schon was.
Mittlerweile meldet sich auch die zweite Gasflasche, dass sie in absehbarer Zeit mal wieder gefüllt werden möchte. Auf die Heizung zu verzichten wäre dann doch etwas zu sportlich…
Süßer Liebeskummer
Aber wir zögern den Aufbruch so lange wie nur irgend möglich hinaus. Zu wohl fühlen wir uns hier und zu glücklich macht es uns, wenn wir den Blick aus dem Fenster werfen, um mal wieder die Tide zu checken. Ebbe? Flut? Eigentlich auch egal, weil beides spannend ist.
Die sich brechenden Wellen im Abendlicht, die frische Meeresluft und die (mittlerweile ständig wechselnde) Bewölkung sorgen dafür, dass es uns nicht langweilig wird.
Jedes Mal, wenn wir die Diskussion über die Weiterreise führen, fühlt es sich fast an wie Liebeskummer, wenn man den Gedanken an sich heranlässt, dass man diesen Ort verlassen will. Irgendwann verlassen muss.
Alles daran fühlt sich falsch an, denn man möchte doch nur eines: An genau diesem Ort für immer bleiben.
Die Vorstellung, uns von unserer Aussichtsplattform über dem Meer zu verabschieden, sorgt für traurige Gesichter. Und die Entscheidung, noch einen (aber auch nur noch einen!) Tag zu verlängern, für ein erleichtertes, versonnenes Lächeln. Wir sind glücklich, dass wir da beide so gleich ticken, dass keiner den Eindruck hat, dass diese Entscheidung nur so getroffen wird, damit der andere zufrieden ist.
Dann müssen eben all die anderen Dinge auf unserer immer noch endlos langen Bretagne-Liste bis zum nächsten Mal warten. Denn genau wie bei Schottland und Skandinavien wissen wir: Da gehören wir hin, da fühlen wir uns Zuhause.
Ist weniger immer mehr? Oder mehr immer weniger?
Nachmittags unterhalten wir uns nett über den Zaun mit einem Paar das auf dem Zöllnerpfad am Mannimobil vorbeikommt. Sie sind auf einer dreimonatigen Tour unterwegs und haben als nächste Stationen Italien und Griechenland auf dem Zettel stehen.
Unser Reiserhythmus war ohnehin schon immer eher langsam und ist im Laufe der Jahre immer minimalistischer geworden, was die Menge der besuchten Orte angeht.
Die Vorstellung, in 14 Tagen in Griechenland zu sein, kommt mir unfassbar rasant vor. Gleichzeitig denke ich aber jedesmal, wenn wir wieder ins Nordland fahren: „In Italien waren wir viel zu lange nicht mehr! Und Griechenland soll doch auch so wunderschön sein. Und ein warmes Reiseziel wäre doch auch mal was!“ Und dann sehe ich wieder ein Bild aus Schottland, ein Video aus Irland oder lese einen Reisebericht aus Norwegen und will nur noch eines: Sofort dort sein. Kennt ihr das Gefühl, eine Reiseheimat zu haben? Ein „home from home“?
Widersprüchliche Gefühle
Es ist manchmal ein etwas widersprüchliches Gefühl, denn wir wissen ja, dass es uns in Italien auch immer gefällt. Und auch dort haben wir eine Liste von Orten, die wir gerne einmal besuchen und gesehen haben würden.
Wenn wir aber grob das Reisejahr vorplanen, kommen wir immer zu der Erkenntnis, dass ein komplett neues Reiseland bedeutet, dass wir unsere Herzensregionen ein Jahr länger nicht besucht haben werden.
Und speziell hier in der Bretagne, auf dieser Reise, haben wir den Eindruck, dass wir mit jedem Besuch das Reisevergnügen nur intensivieren. Es wird einfach mit jedem Besuch immer schöner. Nicht langweiliger, wie man ja auch denken könnte.
Seit unserem letzten Besuch in der Bretagne sind drei Jahre vergangen. Und bei der Vorstellung, dass es nach dieser Logik bis 2028 dauert, bis wir wieder hier sind, schreit gerade alles in mir: „Du bist doch bekloppt! Davon willst du lieber früher als später noch mehr sehen!“
Regendrama
Nach unserem letzten trockenen Tag sind für den Montag erste Schauer angekündigt. Regentage sind Reisetag, sagt man. Wir haben uns mental schon darauf eingestellt, aber morgens führen wir wieder unseren täglichen Dialog (s.o.) mit erwartbarem Ergebnis.
Als wir uns mittags auf den Weg an den Strand machen, sieht man zwar eine düstere Wolke auf uns zukommen, aber die letzten Wochen haben uns leichtsinnig gemacht. So schlimm wird das mit dem Regen schon nicht werden.
Es sorgt zumindest noch einmal für gänzlich neue Lichtstimmungen über der Bucht.
Aber als der Regen dann kommt, sind es nicht nur ein paar freundliche Tröpfchen wie bisher. Es ist ein richtig zorniger Regen, gemischt mit Graupel und Windböen. Wir machen es Toffi nach, die sich an die halbwegs windgeschützte Seite eines Felsens geduckt hat. Sie sieht mich fragend an, warum ich sie in dieses Schlamassel geführt habe.
Nass bis auf die Unterhose kehren wir zum MoMo zurück und freuen uns am Nachmittag darüber, dass wir uns die folgenden Schauer, die über die Landschaft ziehen, aus dem warmen Mannimobil ansehen können.
Auch bei Regen bleibt das eine große Liebesgeschichte zwischen uns und dem Plage des Amiets.
Einfach nur 5 Sterne!!
Wir lieben auch das langsame Reisen sehr, und immer mehr. Dabei dachten wir, das sei dem Alter geschuldet.
Und für den Herbst plane ich die Bretagne ganz fest ein.
LGElfie, zur Zeit in Südspanien (mein Mann muss sich von einer schweren Krankheit erhol)
Danke für das Lob, Elfie.
Lustig, ich bin jetzt schon neidisch, wenn ich daran denke, dass ihr im Herbst hier in der Bretagne seid. Dabei werden wir dann in Schottland sein – also in der anderen Wahlheimat.
Wie gut, dass ihr euch in Südspanien zum Erholen aufhalten könnt. Da klappt das hoffentlich noch mal so gut. Gute Besserung für deinen Mann!
Oja. Dieses Gefühl kennen wir an diesem wunderschönen Ort auch. Nur noch ein Tag,. Am nächsten das gleiche Spiel. Ich glaube letztes Jahr hat die nette Frau an der Rezeption schon Wetten abgeschlossen, dass wir noch einen Tag bleiben.
Schade, dass ihr nicht mit den Rädern an der Küste entlang geradelt seid. Ich habe dort tolle Fotolocations entdeckt.
Eure Fotos sind wunderschön und laden zum Träumen ein.
Noch eine schöne Zeit.
Gabi
Hallo Gabi,
das mit den Rädern bereue ich auch. Andererseits: Machen wir dann beim nächsten Mal. Denn eigentlich war es so, wie es diesmal war, genau richtig.
Wenn die Bretagne eines hat, dann ja unendlich viele Fotolocations… 😉