Strickjacken-Karibik

31. März 2025

Strickjacken-Karibik

Strickjacken-Karibik

31. März 2025

Der Morgen beginnt mit fatalen Fehlern.

Dabei habe ich es doch so gut gemeint! Ich stehe fürs Fotografieren brav vor Sonnenaufgang auf, quäle mich noch im Halbschlaf in meine Sachen, packe alles ein und stiefele los.

Plage Saint Michel Sunrise

Nach 500 Metern merke ich: Ich habe die Tasche mit meinen Filtern für die Langzeitbelichtungen im MoMo liegen lassen. Aber jetzt noch mal zurückgehen? Dann verpasse ich ja das Beste! Lieber aus der Not eine Tugend machen und sehen, was ich auch so schaffen kann.

Plage Saint Michel Sunrise
Plage Saint Michel Sunrise

Ich mache ein paar Aufnahmen. Als ich weitergehen will, greife ich das Stativ und schwungvoll kracht meine Kamera zu Boden. Ich habe wohl im morgendlichen Tran den Hebel für die Kamerafixierung gelöst, als ich nur den Kugelkopf verstellen wollte.

Zum Glück ist es größtenteils Wiese, auf der ich stehe, aber die Kamera streift dann doch ein paar Granitfelsen, die hier halt überall herumliegen. Während Kamera und Objektiv erstaunlich robust den Crash mit ein paar leichten Blessuren, aber ohne Defekt überstehen, hat mein Polfilter (der sich schon auf dem Objektiv befand, als ich losging) ein paar Striemen abbekommen. Glas und Stein, das lass sein!

Plage Saint Michel Sunrise
Plage Saint Michel Sunrise
Plage Saint Michel Sunrise

Go West

Frustriert kehre ich zum Mannimobil zurück. Denn dass ausgerechnet der Polfilter eine Macke hat, ist zum Fotografieren in der Bretagne gar nicht mal so gut. Am Wasser ist er eigentlich immer im Einsatz. Immerhin stelle ich fest, dass der Kratzer eher am Rand sitzt und somit bei kleineren Objektiven wahrscheinlich keine negativen Auswirkungen haben wird.

Und was wäre eine bessere Idee, als das sofort im Einsatz auszuprobieren? Also machen wir uns auf den Weg nach Westen zum Plage de Lanruen.

Mittlerweile hat die Flut ihren Höhepunkt überschritten und das Wasser ist rasant auf dem Rückzug. In einer Stunde soll die Insel wieder begehbar sein und die ersten Leute versammeln sich hierfür am Strand.

Wanderung Plage Lanruen
Wanderung Plage Lanruen

Wir lassen die Insel zunächst mal rechts liegen und gehen durch wunderbar blühenden Schlehendorn.

Am Wegesrand finden wir einen regelrechten Jakobsmuschelfriedhof. Ob die hier jemand abgeladen hat?

Wanderung Plage Lanruen

Plage de Lanruen

Als wir am nächsten Strandabschnitt ankommen, sind wir sofort begeistert. Wie toll sieht das denn bitteschön aus? Von den Farben und dem feinen Sand fühlen wir uns an Karibik und unsere geliebten Äußeren Hebriden erinnert. Aber anders als in der Karibik sind wir hier froh, dass wir unsere winddichten Jacken anhaben. Denn sobald der Wind etwas auffrischt, wird es eisig.

Wanderung Plage Lanruen
Wanderung Plage Lanruen

Wir gehen ziellos am weitestgehend jungfräulichen Strand entlang und bestaunen die Aussicht. Ich glaube, Strände werden uns nie langweilig werden! Und den Hunden natürlich erst recht nicht.

Wanderung Plage Lanruen

Als wir später zu unserem Strand zurückkehren, ist der Durchgang zur Insel vom Meer freigegeben. Wir beschließen aber, erst mal eine Kaffeepause am Mannimobil einzulegen.

Die Uhr tickt

Aber komplett frei sind wir in unserer Tagesgestaltung nicht. Denn wenn wir der Insel noch einen Besuch abstatten möchten, sollten wir genügend Puffer haben, um nicht so zu enden wie das Pärchen gestern, die sich so gerade noch ans Festland retten konnten. Es hat uns nachhaltig beeindruckt, wie schnell die Flut sich das Land erobert und wie präzise die vorhergesagten Zeiten auf der ausgehängten Tabelle sind.

Wir gehen also auf Nummer Sicher und machen uns zwei Stunden vor der Deadline auf den Weg zur Insel.

Gezeiteninsel Saint-Michel
Gezeiteninsel Saint-Michel

Und wie anders hier jetzt alles wieder aussieht! In der Bucht herrscht reges Treiben. Muschelsucher und Spaziergänger sind unterwegs und genießen das sonnige Wetter sicherlich genau wie wir.

Gezeiteninsel Saint-Michel

Der Weg hinauf zur Kapelle ist ein Parcours aus mehr oder weniger wackeligen Steinen, auf denen man sich vorwärts bewegt. Und natürlich gibt es auch hier viele Fundstücke, die das Meer freigegeben hat.

Chapelle Saint-Michel

Wir erklettern den letzten Weg hinauf zur Kapelle mühelos und genießen die Aussicht von hier oben. Und Neptun hat auch mal kurz vorbeigeschaut.

Gezeiteninsel Saint-Michel

Die Kapelle ist leider verschlossen, aber an der östlichen Außenwand befindet sich eine Jakobsmuschelmauer, wo manche individuell gestaltete Muschel zu finden ist und offensichtlich fromme Wünsche getätigt werden.

Gezeiteninsel Saint-Michel
Gezeiteninsel Saint-Michel

Annette wird sichtlich nervös. Laut angegebener Zeit sind es nur noch 1,5 Stunden, bis die Flut kommt! Und was wäre, wenn der zwanzigminütige Hinweg nur ein Trick war, um uns in Sicherheit zu wiegen?

Gezeiteninsel Saint-Michel

Sie drängt zum Aufbruch und kann meine Gelassenheit überhaupt nicht witzig finden. Was wäre schließlich, wenn die Flut es sich heute mal anders überlegt und sagt „Ich scheiße auf die Sommerzeit, ich komme jetzt eine Stunde früher!“ Oder wenn sich die Tabelle am Strandaufgang in diesen postfaktischen Zeiten als Fake News entpuppen? Man kann doch nicht immer alles glauben, was die Wissenschaftler errechnet haben!

Aber mit jedem Meter, den wir uns in Richtung sicheres Festland bewegen, wird sie dann doch zuversichtlicher, dass alles ein gutes Ende nehmen wird. Selbst meine Fotosession an den Gezeitentümpeln nimmt sie schließlich mit Gelassenheit.

Gezeiteninsel Saint-Michel
Gezeiteninsel Saint-Michel

Rennen gegen die Zeit

Wieder zurück am Festland betrachten wir dann aber beide kopfschüttelnd eine Frau, die sich noch auf den Weg hinüber zur Insel macht. Sie hat doch nur noch 50 Minuten! Und auch andere Leute begeben sich noch hinüber.

Gezeiteninsel Saint-Michel

Wir beschließen, uns das Spektakel anzusehen, wenn diese armen Seelen jämmerlich in den Fluten versinken, wenn sie natürlich viel zu spät zurückkehren.

Von einem Logensitz in den Felsen betrachten wir fassungslos, wie langsam sich die Leute in Richtung Festland zurückbewegen.

Nur noch 12 Minuten. Na, die haben ja Nerven!

Nur noch 5 Minuten. Jetzt wird es aber wirklich Zeit!

Nur noch 1 Minute. Mittlerweile zollen wir der Frau Respekt, die sich gemütlich immer noch mal bückt, um eine Muschel aufzuheben. Denn ihr Timing ist wirklich makellos: 10 Sekunden, bevor sich das Wasser von beiden Seiten über dem Damm vereinigt, ist sie im Bummeltempo am Strand angekommen. Chapeau!

Gezeiteninsel Saint-Michel

Himmelsfeuerwerk. Nicht.

Nach einer kurzen Verschnaufpause am MoMo steht für mich die letzte Etappe des Tages an. Meine Viewfindr-App hat für heute eine gute Wahrscheinlichkeit für „Himmelsröte“ angekündigt. Ich bin zwar skeptisch, da wir einen nahezu wolkenlosen Himmel haben, aber würde natürlich nicht Nein sagen, wenn heute noch der Himmel brennt.

Ich mache mich auf den Weg zum Punkt oberhalb der Plage de Lanruen, da bei uns die Sonne bereits hinter den Klippen verschwunden ist.

Tatsächlich kann ich den Sonnenuntergang hier sehen, aber das erhoffte Spektakel am Himmel stellt sich nicht ein.

Lanruen Sunset

Aber schön, wenn man dann noch Alternativen hat. Ein befriedigender Abschluss für einen weiteren vollen Tag.

Lanruen Sunset
Lanruen Sunset
Lanruen Sunset
Lanruen Sunset

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