Ich habe so begeistert von meinem Besuch in Saint Malo berichtet, dass wir spontan einen Tag hier in Rothéneuf dranhängen. Es gibt schließlich auch noch genug zu sehen.
Da wir die Hunde abends alleine im Mannimobil lassen wollen, bekommen sie vormittags genügend Bewegung bei unserem Weg entlang des Zöllnerpfads an der Küste.
Das Tückische ist heute die Wahl der richtigen Kleidung. Strahlender Sonnenschein, aber stellenweise eisiger Wind. Dass uns ständig entweder zu heiß oder zu kalt ist, wird heute unser Begleiter werden.
Les Rochers Sculptés
Auf dem Weg kommen wir an den in den Felsen gehauenen Skulpturen vorbei, die Abbé Fouré hier in den Küstengranit gemeißelt hat. Für 5 € Eintritt kann man sie besichtigen.
Nach einem Schlaganfall war der Abbé gehörlos und stumm und suchte sich die künstlerische Arbeit am Stein als neue Ausdrucksform. Vor über hundert Jahren entstanden dann im Laufe von Jahrzehnten mehrere Skulpturen, die mittlerweile schon ganz schön vom Zahn der Zeit gezeichnet sind.
Es ist wie ein großes Ali-Mitgutsch-Wimmelbild. Man braucht ein wenig, bis man sich eingegroovt hat, um auch die kleineren Strukturen zu erkennen oder zu sehen, von wo bis wo eine solche Skulptur wirklich geht.
Unverhofftes Menü
Nachdem die Hunde am Plage du Val noch mal toben durften, stellen wir fest, dass die Zeit rast. Den kompletten Weg an der Küste von Rothéneuf werden wir nicht mehr schaffen, wenn wir in der nett aussehenden Crêperie des Ortes noch essen wollen. Denn diese schließt um 14 Uhr.
Wir machen dann um so längere Gesichter, als wir sehen, dass alles vollbesetzt ist. Ein Plan B muss her. Zum Glück gibt es um die Ecke das Le Rocher. Dort bekommen wir problemlos einen Tisch. Sogar auf der sonnigen und windgeschützten Terrasse! Was dazu führt, dass Annette im Gangster-Look am Tisch sitzt, um keinen komplett knalligen Sonnenbrand zu bekommen.
Wir bestellen uns jeder ein unterschiedliches Menü und sind aufs Neue begeistert von der französischen Kochkunst. Insbesondere die Desserts, die man Zuhause dann doch eher nicht bestellt, sind wirklich beglückend lecker.
Noch mehr Flut
Abends schwingen wir uns auf die Räder und radeln die 20 Minuten hinüber in die Stadt. Aufgrund des eisigen Windes am Vormittag und meiner Erfahrungen von gestern natürlich vorbildlich warm angezogen.
Als wir in der Stadt ankommen, gibt es drei Erkenntnisse:
- Es ist eher mild. Wird sind eher zu warm angezogen.
- Das Meer ist sehr ruhig. Kaum ein Lüftchen regt sich. Wird es überhaupt so schön kribbelig wie gestern werden, wenn gar kein Wasser über die Mauern spritzt?
- Hier ist Volksfeststimmung. Im Vergleich zu gestern sind hier 4-5-mal so viele Menschen unterwegs, um sich die Grand Marées anzuschauen.
Meine Befürchtungen sind aber unbegründet. Es wird ein rundum tolles Erlebnis, auch wenn es heute keine Bilder geben wird, bei denen das Meer an den Häusern anklopft.
Dafür aber jede Menge nasse, aber glücklich Menschen. Es herrscht überall eine unbekümmert kindliche Freude an den über die Mauern schwappenden und spritzenden Wellen.
Und wenn man nass wird, johlen alle mit einer freundlichen Mischung aus Mitleid und Schadenfreude und jeder Pechvogel hat trotzdem ein Grinsen auf dem Gesicht.
Wir haben aber auch zufällig den perfekten Zeitpunkt für eine Grand Marée erwischt. Denn Hochwasser und Sonnenuntergang fallen praktisch auf den gleichen Zeitpunkt. In der Stunde vor dem Scheitelpunkt der Flut, an der die spektakulärsten Wellenbrecher an der Mauer zu erwarten sind, fallen exakt in die goldene Stunde.
Fortografenpech: Es gibt so viel Bilder, unter denen man für den Blog auswählen muss. Eine wahre Qual.
Café an der Ecke unten an der Straße am Ende der Stadt gegenüber dem Hafen
Nach dem Höhepunkt der Flut werden die Menschenmengen weniger. Auch wir machen uns auf den Weg in die Altstadt, um dort noch eine Bar für einen Pastis zu finden.
Per Zufall finden wir im Vorbeigehen das „Café du coin d’en bas de la rue du bout de la ville d’en face du port“ oder kurz „La Java“. Wir schwanken kurz, ob es ein kompletter Touristennepp sein könnte oder wirklich ein Unikum an Café. Es stellt sich heraus: Letzteres.
Man muss es mögen, dass hier wirklich jedes letzte Fitzelchen Fläche mit irgendeinem Nippes vollgestellt ist. Legionen von Püppchen in den unterschiedlichsten Ausprägungen, Emaille-Schilder en masse. Und natürlich die Kettenkarussell-Sitze an der Bar als Hingucker. Auch hier kann man, ähnlich wie mittags bei Abbé Fourè mit jedem Blick etwas Neues entdecken.
Welch ein schöner Abschluss für einen pickepackevollen Tag!
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