Es hätte alles so einfach sein können. Entspannte Rückfahrt in zwei Etappen nach einer wunderbaren Woche im Winterwunderland. Aber kaum haben wir den Campingplatz Morteratsch verlassen, wird es böse. Wir schreiben diesen Blogbeitrag vor allem, um andere vor den gleichen Fehlern zu bewahren, die uns passiert sind. Was Fiat uns nicht gesagt hat – und wir schmerzhaft lernen. So könnte euch die digitale Ölstandsanzeige ruinieren!
Die leuchtende Warnlampe
Als wir losfahren, ist noch alles in Butter. Keine Probleme mit dem Anlassen nach der eisigen Woche im Engadin. Der Motor springt an und schnurrt wie ein Kätzchen. Super.
Aber nach ein paar hundert Metern leuchtet die Warnlampe „Motorölstand kontrollieren lassen“. Auch jetzt bin ich nicht allzu beunruhigt. Ich hatte bisher bei unserem 8 Monate alten Fahrzeug noch kein Öl nachfüllen müssen und habe einen halben Liter Öl dabei, falls der Ölstand zu niedrig wäre. Die Anzeige bestätigt, dass der Ölstand beim Minimum angekommen ist. Also fahren wir rechts ran und ich fülle den halben Liter nach. Wenn die Anzeige bei Minimum ist, kann das nicht verkehrt sein. So habe ich das in den fast 40 Jahren Autofahren gelernt und so müsste das passen.
Wir wundern uns, als wir weiterfahren: Die Warnmeldung verschwindet nicht. Der Ölstand ist nicht gestiegen. Was ist denn da los?
Hä, immer noch zu wenig Öl?
An dieser Stelle eine kleine Information zu unserem Ducato 8 mit Automatikgetriebe. Der ist nämlich ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. Nicht.
Hier gibt es nämlich keinen Ölpeilstab mehr. Sondern das ganze System wird lediglich rein elektronisch „überwacht“. Dass diese Überwachung aber nicht wirklich gut funktioniert, lernen wir gerade auf die harte Tour.
Ich vermute, dass es durch die tiefen Temperaturen der vergangenen Tage vielleicht etwas länger dauert, bis der Ölstand wieder korrekt angezeigt wird. Schließlich muss der Motor sich ja noch Warmlaufen. Da kommt es der Mörderstau in St. Moritz, in dem wir zwei Stunden stehen, recht. Alldieweil: Die Anzeige ändert sich nicht.
Meine Vermutung: Der Ölstand war dann vielleicht doch niedriger als gedacht. Also muss da noch mehr Öl rein, wenn doch die digitale Anzeige auf Minimum steht und eine Warnleuchte leuchtet.
An der Tankstelle in St. Moritz dann Fehlanzeige für das passende Motoröl nach Fiat-Spezifikationen – ausverkauft! Ich will da kein Risiko eingehen und beschließe, dass die 500ml ja schließlich nicht Nichts sind. Und Öl verlieren wir auch keines.
Wir fahren also möglichst niedrigtourig weiter, um den Motor nicht unnötig zu quälen. In Tiefencastel finden wir dann endlich eine Tankstelle mit dem gesuchten Öl der Fiat-Spezifikation 9.55535-S1. Wir wollen einfach keinen Fehler machen…
Mittlerweile bin ich sicher, dass wir zu wenig Öl haben. Nicht gut. Also fülle ich den ganzen Liter nach. Auch nicht gut, wie sich jetzt herausstellt. Denn die Ölstandsanzeige des Ducato macht beharrlich weiter „Ping“ und warnt uns „Motorölstand kontrollieren lassen“. Alles verbleibt auf Minimum. Was zur Hölle…?
Die böse Erkenntnis
So langsam dämmert mir, dass wir ein größeres Problem haben. Denn, dass mit nachgefüllten 1,5 Litern Öl die Anzeige auf Minimum bleibt, ist schlicht unmöglich.
Erste Erkenntnis: Die Ölstandsanzeige taugt nichts.
Aber vor allem bedeutet es, dass wir ab jetzt wirklich ein Problem haben. Zu viel Öl ist genau wie zu wenig Öl: nicht gut. Wir beschließen, noch bis zur Raststätte Thusis zu fahren um dort auf dem Parkplatz den Pannendienst zu rufen und zur Not auch dort übernachten zu können.
Nachdem wir den Pannendienst gerufen haben, versuchen wir mit einer Suche im Internet eine Erklärung des Problems zu finden. Was wir dann herausfinden, zieht uns die Schuhe aus.
Ölstandsmessung aus der Hölle
Denn es stellt sich heraus, dass bei unserem Ducato alles anders ist, als wir das aus Jahrzehnten Autofahren kennen und erwarten dürfen. Hingewiesen hat uns darauf aber niemand.
Hier also der Auszug aus der Bedienungsanleitung von Fiat:
Aktualisierung der Ölmengenanzeige am Display
Sollte ein Nachfüllen erforderlich sein, um die korrekte Anzeige des Ölstands auf dem Display zu gewährleisten, ist wie folgt vorzugehen.
Vorgehensweise:
Auf einer ebenen Fläche den
Motor laufen lassen, bis er heiß ist (siehe Öltemperaturanzeige), dann ausschalten.
Mindestens 6 Minuten warten, die
Startvorrichtung auf ON bringen ohne jedoch den Motor zu starten und 20 Sekunden lang warten.
Zusätzlich empfiehlt Fiat, dass man nur in 200ml-Schritten Öl nachfüllt. Und anschließend jedesmal dieses Procedere durchführt. Noch einmal zur Erinnerung: Einen simplen Ölpeilstab gibt es nicht.
An dieser Stelle habe ich zwei Fragen an Fiat: Welches kranke Hirn hat sich diesen Vorgang ausgedacht? Und noch viel wichtiger: Wer hat diese Idee durchgewinkt und gedacht „Das ist genau das, was die Kunden wollen! Ein großartiger Fortschritt!“?
Bedienungsanleitung? Gibt’s nicht!
Apropos Bedienungsanleitung. Auch da hat sich Fiat etwas ganz Modernes ausgedacht. Nur leider mal so gar nicht gut umgesetzt. Denn ausgehändigt bekommt man nur eine Kurzbedienungsanleitung.
Die „echte“ BDA soll man sich gefälligst selbst herunterladen. Diesen Prozess hat Fiat dann so umgesetzt, dass das aber möglichst keiner machen kann. Denn es sind nicht einfach alle Bedienungsanleitungen in einer Übersicht für jedermann verfügbar. Sondern man soll erst mal einen Benutzeraccount einrichten. Unter my.fiatcamper.com sollte das doch kein Problem sein. Außer bei Fiat. Denn die Registrierung hat jemand gemacht, der im „Haus, das Verrückte macht“ in die Lehre gegangen ist. Ein Passwort muss mindestens 8 Zeichen, Buchstaben und Zahlen enthalten. So weit, so normal. Aber egal, welches Passwort man auch verwenden möchte: Eine Registrierung ist nicht möglich. Also auch keine Bedienungsanleitung verfügbar. Immerhin kann ich mir in den Weiten des Internets eine englische BDA herunterladen. Nicht komfortabel, aber immerhin etwas.
Und obige Info zum richtigen Verhalten beim Öl nachfüllen habe ich dann auch nur aus dem Internet.
Pannenhelfer schachmatt
Unser freundlicher Pannenhelfer vom Schweizer TCS ruft mich an, um zu verstehen, welches Problem wir denn haben. Ich schildere ihm den Fall. „Keinen Ölmessstab? Das kann nicht sein. So etwas habe ich ja noch nie gehört. Ich muss mich da jetzt selbst mal schlau machen.“ Man hört an seiner Stimme, dass er glaubt, es mit einem Vollidioten zu tun zu haben, der nicht mal den Ölpeilstab in seinem Motorraum finden kann. Ich kann es ihm nicht verdenken.
Er kommt etwas später zu uns und gibt mir recht: Es gibt keinen Ölmessstab. Er hat sogar schon das Verfahren zum Aktualisieren der Ölstandsanzeige herausgefunden.
Dieses Verfahren führen wir dann dreimal durch. Beim ersten Mal: Keine Änderung, aber die Öltemperatur war auch nur bei einem Strich. Also vielleicht Motor noch zu kalt?
Auch beim zweiten und dritten Mal (jedes Mal lassen wir den Motor länger laufen und lassen ihn mit Standgas etwas auf Touren kommen): keine Änderung.
Die übliche Lösung im Fall „zu viel Öl im Motor“ (er geht auch davon aus, dass jetzt zu viel Öl im Motor ist) wäre das Absaugen des definitiv zu viel eingefüllten Öls. Dies funktioniert aber nur (ihr ahnt es schon) über den Zugang für den Ölmessstab. Kein Ölpeilstab, kein Absaugen möglich.
Die nächstbeste Lösung ist das Ablassen des Öls und gegebenenfalls ein kompletter Ölwechsel, damit man sicher sein kann, dass wieder die richtige Ölmenge im Motor ist. Dies ist aber keine Vor-Ort-Geschichte, sondern muss in einer Werkstatt gemacht werden.
Wir beglückwünschen uns für das perfekte Timing: Es ist Samstagabend. Wir können keine Werkstatt mehr erreichen und müssen in jedem Fall bis zum Montag warten. Unser freundlicher Pannenhelfer empfiehlt uns die nächste Fiat-Werkstatt in Chur: die Garage Weisstorkel.
Ein Tag Magengrummeln
Wir sind zunächst einmal froh, dass wir hier an der Autobahnraststätte einen Übernachtungsplatz haben. Nicht schön, aber praktisch.
Wir überlegen, wie es jetzt weitergeht. Chur ist 30 Minuten entfernt. Wir könnten die Strecke in zwei kleine Etappen aufteilen, sodass der Motor auch bloß nicht überlastet wird. In Bonaduz finden wir einen Übernachtungsplatz, der perfekt für diesen Plan ist. Wir fahren das kurze Stück, parken, machen eine nette Wanderung zum Rhein und warten auf den Montag.
In meinem Kopfkino ist von einem kapitalen Motorschaden bis zur schnellen Löschung der Fehlermeldung jedes Szenario durchgespielt. Nicht so schön.
Die einfache Lösung
Am Montagmorgen machen wir uns auf den Weg nach Chur. Schön niedrigtourig, ganz entspannt. Als wir in der Werkstatt ankommen, sind wir gar nicht mal so sicher, ob wir hier richtig sind. Das sieht alles so klein aus!
Aber als uns der Chef Remo Bärtsch mit einem freundlichen Lächeln begrüßt, wissen wir sofort, dass wir in guten Händen sind. Er versteht sofort, worum es geht und nimmt sich selbst der Sache an. Wir fahren in seine große Halle, die in einer Tiefgarage(!) liegt.
Dort wird das MoMo an den Diagnostik-PC angeschlossen und es werden alle Werte ausgelesen, die für unser Problem interessant sind. Es stellt sich raus, dass es genau so ist, wie wir es vermutet haben: Etwa 300 ml zu viel Motoröl zeigt das System an. Das ist auch der Grund, warum die Warnmeldung sich nicht löschen lässt. Zu viel ist halt zu viel. Allerdings auch nicht so viel, dass es katastrophale Folgen gehabt haben kann, sagt der Meister. Wir wollen das gerne glauben.
Wie werden wir jetzt das überschüssige Öl los? Die naheliegende Lösung: Ölwechsel. Einmal alles raus und dann wieder auffüllen. Teuer und nach 8 Monaten auch nicht wirklich schon sinnvoll, wenn man es vermeiden kann.
Herr Bärtsch hat dann die pfiffige Lösung parat. Nach seiner Erfahrung gehen beim Wechseln des Ölfilters ungefähr 500 ml Öl verloren. Das müsste also ziemlich sicher dazu führen, dass unser Ölstand wieder im grünen Bereich ist.
Nachdem das Öl abgeflossen ist, können wir sogar den „alten“ Ölfilter wieder einsetzen.
Ein Hoch auf eine Werkstatt, die so kundenorientiert denkt und sich nicht bei so Ahnungslosen wie uns leicht die Taschen vollmacht!
Alles wieder im grünen Bereich
Als wir dann wieder die Diagnostik von Fiat laufen lassen, erhalten wir genau das angezeigt, was wir uns erhofft haben. Unser Ölstand liegt zwischen dem Minimum von 4622 ml und Maximum von 5425 ml. Es sollten also 800 ml Öl zwischen ganz voll und gänzlich leer sein. Gut zu wissen!
Auch die eklige rote Warnleuchte im Tacho ist wieder erloschen und wir können unsere Erleichterung und unser Glück gar nicht fassen. Noch einmal Danke an unseren freundlichen Pannenhelfer für die Empfehlung der Weisstorkel-Garage in Chur!
Denn unsere Heimfahrt können wir danach problemlos antreten und werden bis Zuhause auch nicht wieder von irgendwelchen Motorölproblemen behelligt. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!
Es ist genau wie ihr es beschreibt ! Fiat hat sich da den absoluten Schwachsinn ausgedacht. Wir haben zum Glück schon vorher von dem Wahnsinn gelesen und uns das Prozedere zum Nachfüllen von Öl gemerkt und immer mal etwas Öl nachgekippt.
Weiterhin gute Fahrt mit dem Ducato 8 🚐
Ihr tapfere Samariter!!! Danke für diesen ausführlichen Bericht! Dass Ihr für uns diese grauenvolle Erfahrung machen musstet, das tut uns echt leid.
Welch Schwachsinn von Fiat! Konnten die da ein paar Cent in der Produktion einsparen???
Bei unserem alten 3,0l Motor mussten wir nie Öl nachfüllen.
Nicht alles was neu ist, ist auch gut!
Liebe Grüße!
Das ist genau das, was der Werkstattmeister auch sagte. Der alte Ducato-Motor ohne AdBlue-Gedöns war unverwüstlich und brauchte quasi kein Öl. Da trauern wir unserem Eura schon etwas hinterher.
Ich hatte beim Schreiben des Artikels genau an Leute wie euch gedacht, die das gleiche Fahrzeug haben. Man kommt einfach nicht auf diesen Schwachsinn, wenn man es nicht irgendwo gelesen/gehört hat.
Gut, dass ihr das vorher schon wusstet!
Liebe Anette, lieber Micha
Gut, dass ihr dieses Drama von Fiat publiziert habt.
Immerhin blieb euer Humor erhalten.
Wir haben in der Garantiezeit mit Fiat auch ein nervenraubendes Theater erlebt, siehe https://mobiblog.ch/tag/erste-panne/
Seitdem fahren wir aber ohne jegliche Probleme und so hoffen wir das auch für euch.
Mit lieben Grüssen
Michael
…was für ein Erlebnis und Danke fürs Teilen. Ihr habt jetzt echt erfahren, dass es normal ist, dass in ein nagelneues Fahrzeug regelmäßig Öl nachgefüllt werden muss. Außerdem, dass trotzdem dies alle wissen, Euch keiner darüber und auch nicht über das komplizierte Prozedere informiert hat.
Das ist ein dickes Ding. Gut, dass ihr aus jeder Situation immer das Beste macht!
Ich wünsche Euch pannenfreie Fahrten und immer genug Öl und ein gutes Gefühl für die passende Nachfüllmenge.
Bis zur nächsten Reise 😉
Danke, Sabine, uns sind echt ein paar Steine vom Herzen gefallen!
Eure Geschichte hört sich aber auch ziemlich nervenaufreibend an. Aber gut zu wissen, dass seitdem dank der pfiffigen Werkstatt alles wunderbar läuft.
Gut gemacht, die Vorsicht war angebracht! Bei zu viel Öl (viel hilft viel gilt hier NICHT) besteht die Gefahr, dass die Kurbelwelle in das Öl eintaucht, welches jetzt in der Ölwanne zu hoch steht. Und dann alles zu einem Ölschaum aufschlägt. Der taugt nicht viel, der Schmierfilm reißt ab und der Motor frisst. Bei zu viel Öl würde man das eher nicht erwarten…
Das Spiel mit dem eingesparten Ölmessstab kenne ich schon von meinem 13 Jahre alten Touareg.
Euch weiterhin “Gute Fahrt”
Danke, Jochen, das mit dem Ölschaum war genau das, wovor wir Sorge hatten.