Wir wachen morgens auf und freuen uns, dass wir die Heizung andrehen können. Es ist kalt geworden! Umso heldenhafter, dass Annette selbst bei diesen Temperaturen noch in den See steigt. Brrr!
Feiner Stellplatz
Nach einem kurzen Weg um den See verlassen wir unseren sehr stillen Übernachtungsplatz und fahren die paar Kilometer nach Dobre Miasto, dem früheren Guttstadt.
Erste Überraschung: Wir finden hier gut versteckt am Ende einer holprigen Anwohnerstraße einen topmodernen Stellplatz vor. Er scheint unsere Vermutung von den Geldern, die vor allem in Freizeitinfrastruktur gesteckt werden, wieder mal zu bestätigen. Der Platz wirkt fast schon übertrieben mit den zig Holzsonnenliegen, die förmlich ausrufen „Das Fördergeld musste halt noch weg!“
Wir freuen uns aber über einen Stellplatz mit komplett kostenloser Infrastruktur zur Ver- und Entsorgung, bei der sogar der Strom gratis zur Verfügung steht.
Der Storchenturm
Wir wollen ein wenig auf den Spuren meines Vaters wandeln, der hier geboren ist, aber mit fünf Jahren in den letzten Kriegsmonaten wie so viele andere flüchten musste.
Unser Platz liegt direkt an der Lyna, dem Fluss, der auch durch Allenstein fließt. Über eine Brücke gehen wir in die Stadt und treffen erst mal auf den Storchenturm, dessen Nest jetzt im September aber leider verwaist ist. Aber die Stadt hat dem Turm immerhin noch einen künstlichen Begleiter spendiert, damit es auch in der storchlosen Zeit zumindest so aussieht, als wäre einer vor Ort.
Unfreundliche Kirche
Von außen sieht die große katholische Kirche großartig aus. Auch der Name ist mehr als bedeutend: „Basilika zum heiligsten Erlöser und allen Heiligen“ Viel mehr geht doch kaum!
Wir stehen vor einem verschlossenen Gittertor, können aber immerhin einen Blick in die vom Sonnenlicht ungewöhnlich gelblich beleuchtete Kirche werfen.
Es kommt ein Priester herein, würdigt uns keines Blickes, schließt das Tor auf, geht hinein, schließt wieder ab und stolziert zum Altar als wären wir einfach nicht anwesend. Annette bemerkt treffend: „Stell dir das mal in Schottland vor.“ Undenkbar, dass ein Pfarrer dort uns nicht angesprochen und ein paar Dönekes erzählt hätte!
Wir entdecken dann auch noch ein paar Totenköpfe auf der Bodenplatte im Eingangsbereich. Zusammen mit dem unerfreulichen Erlebnis zuvor und einem gekreuzigten Jesus an der Wand ergibt sich das Bild einer gar nicht mal so menschenfreundlichen Religion… Gut, dass wir auch andere Erfahrungen gemacht haben. Aber die Kirche hat echt ein Image-Problem in diesen Tagen.
Am Geburtshaus
Auf unserer Zeitreise geht es weiter. Wir verlassen das Zentrum ein paar Schritte den Berg hinauf. Durch eine gar nicht mal so hübsche Siedlung geht es hinauf zum Wasserturm, der hier pittoresk am höchsten Punkt steht.
Von hier sind es auf der anderen Seite nur noch ein paar Schritte zum Geburtshaus meines Vaters am Platz des Polizeikommissariats, wo man in den idyllischen Park Przyjaciół Kultury gehen kann. Per FaceTime versichere ich mich bei meinem Vater, dass wir auch den richtigen Ort gefunden haben und zeige ihm ein wenig von dem, was wir hier sehen.
Auf eine Weise fühle ich mich merkwürdig verbunden mit diesem Ort. Entweder einfach, weil ich bereits zweimal hier war. Aber vielleicht auch, weil so was einem dann doch auf unerklärliche Weise näher liegt, als es das eigentlich von der rein persönlichen Erfahrung her sollte.
Köstlicher Kuchen
Unsere Vorab-Recherche hat ergeben, dass es bei der Cukiernia Maziuk mit dem Teufel zugehen müsste, wenn das nicht umwerfend leckere Kuchen sein müssten. Und so ist es dann auch. Wir leider Höllenqualen, als wir uns für „nur“ zwei Stücke entscheiden müssen.
Der Ehrlichkeit halber sei gesagt, dass schon ein Stück riesig und völlig ausreichend für ein Kaffeetrinken wäre. Wir sind trotzdem so sicher, dass es hier gute Dinge zu kaufen gibt, dass wir uns für morgen direkt noch 2 Tüten mit Keksen einpacken lassen.
Dummerweise hat es mittlerweile angefangen zu regnen. Da wir uns auf den Wetterbericht verlassen haben, stehen wir etwas minderbemittelt da, stellen uns erst mal an einem Baum unter und werden dann auf dem Rückweg zumindest nicht klatschnass.
Der Kuchen schmeckt dann genauso gut, wie es aussieht und wir entscheiden nach dem ersten mächtigen Stück, dass wir lieber erst mal weiterfahren und, am Ziel angekommen, unser zweites Stück Kuchen essen möchten.
Noch schönere Alleen
Unser nächster Stopp soll der Oberländische Kanal werden, der mit seinen über Land gezogenen Schiffen eine echte Attraktion darstellt.
Wir fahren wieder bei Aprilwetter durch schönste Alleen und Dörfer mit wunderbaren Kirchen und dem polnischen Mix aus Sozialismus und Verfall im Kontrast zu schön und renoviert.
Am Kanal angekommen steuern wir zunächst mal einen Platz unmittelbar am Kanal an, der uns aber mit seiner abgelegenen Lage und dem schlechten Internetempfang nicht ganz überzeugen kann. Da es hier am Kanal durchaus mehrere schöne Plätze geben soll, beschließen wir, weiterzufahren und uns die anderen Plätze auch anzuschauen. Dümmste Entscheidung seit langem!
Nach nass kommt fest
Wir fahren weiter nach Katy, wo wir auf heftigstem Kopfsteinpflaster an einen weiteren Platz in Kanalnähe kommen, an dem wir auf dem gepflasterten Seitenstreifen prima stehen könnten. Aber irgendwie kriegt uns der Ort nicht und wir beschließen, noch einmal ein kurzes Stück zurückzufahren, da es auch einen netten Campingplatz direkt an einem der Rollberge am Kanal geben soll. Das wäre doch was: Draußen in der Sonne sitzen und Booten beim Vorbeirollen zusehen!
Wir fahren auf den Platz und sehen, dass bereits ein anderes Womo (als einziger bisheriger Gast…) auf einem halbwegs ebenen Platz am Kanal steht. Da würden wir höchstens noch als absolute Kuschelcamper daneben passen. Nichts für uns.
Wir sehen aber, dass es etwas weiter weg auch noch Grasflächen gibt, die herrlich in der Sonne liegen. Dann nehmen wir halt die und gehen die paar Schritte zu Fuß, falls überhaupt noch ein Schiff vorbeikommt. Aber in der Sonne sitzen wäre doch jetzt gut!
Wir fahren auf eine Wiese mit recht hohem Gras und platzieren das MoMo so, dass wir wunderbar zur Sonne aussteigen können.
Als ich mit den Keilen unsere leichte Schräglage korrigieren möchte, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Es passiert nämlich: nichts. Wir kommen keinen Zentimeter voran und sehen jetzt auch, warum. Der Reifen dreht auf dem feuchten Gras einfach durch. Mist.
Ich habe noch die Hoffnung, dass unsere Anfahrhilfen von Lescars die Rettung sein könnten. Wenn ich die unter den Reifen bekomme, müssten sie doch wieder Grip genug haben. Das einzige Problem: Selbst mit Schaukeln bekommen wir nicht so viel Momentum, als dass da etwas passieren würde. Wir stecken schlicht und einfach fest.
Im Funkloch
Zunächst verspreche ich mir Hilfe von unseren deutschen Nachbarn, die am Kanal stehen. Aber diese sind zwar hilfsbereit, haben aber leider auch kein Abschleppseil dabei. Und es kommt natürlich besonders dicke, als mir die Frau dann noch erklärt: „Der Besitzer ist gerade weggefahren. Und hier ist ja auch das absolute Funkloch. Aber zumindest da oben hat man ein bisschen Empfang“ sagte sie und deutet auf das obere Ende des Rollberges…
Ich rufe trotzdem mal die am Platz angegebene Nummer an und bekomme prompt die Ansageauskunft auf Polnisch und Englisch „Diese Nummer gibt es nicht.“ Argh! Wie sagte Fußball-Weltmeister Andi Brehme so schön: „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß!“
Irgendwie haben wir dann wohl doch zwischendurch einen Hauch Internet und Verbindung, denn die auf der Website angegebene Telefonnummer stimmt mit der vom Platz überein. Ich versuche einfach noch mal mein Glück und wundersamer Weise geht diesmal der Englisch sprechende Platzbesitzer dran. Wenigstens etwas. Er verspricht, später noch vorbeizukommen.
Wir spekulieren darauf, dass er vielleicht sogar noch in der Abenddämmerung kommt und uns eventuell schon rauszieht. Aber als er schließlich kommt, ist es schon stockdunkel. Er begutachtet die Situation und geht davon aus, dass wir es vielleicht aus eigener Kraft schaffen, wenn am nächsten Morgen der Morgentau getrocknet sei. Er habe diese Situation schon öfter erlebt und meistens seien die Leute ohne Hilfe weggekommen.
Wenigstens ein Lichtblick!
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