Das hatten wir uns etwas anders vorgestellt. Das Wetter am Morgen ist trüb und kühl. Wenn wir hinaus auf den See schauen, sieht das nicht wirklich einladend für eine Kajak-Tour aus. Da wir beide uns auch leicht angeschlagen fühlen, beschließen wir, die Tour auf ein andermal zu verschieben. Denn wenn wir in Zukunft die baltischen Länder besuchen, liegt unser Platz mehr oder weniger auf dem Weg.
Wir entscheiden uns, dass es langsam Zeit für den Rückweg wird. Diesen möchten wir aber in aller Ruhe absolvieren und werden daher kleine Etappen mit schönen Zwischenstopps einlegen.
Beklemmender Mauerwald
Nachdem wir im nächsten Biedronka-Supermarkt mit dem neckischen Marienkäfer unsere Vorräte aufgefüllt haben, geht es weiter zum Mauersee.
Wir kommen aber nicht für den See hierhin, sondern weil man hier die nicht-so-touristische Variante der Wolfsschanze, Hitlers Führerhauptquartier, besichtigen kann. Im Mauerwald gibt es ebenfalls Bunkeranlagen, die nicht gesprengt wurden und welche man sogar teilweise begehen kann.
Wir gucken uns diese Betonmonster an, die tatsächlich gut getarnt im dichten Wald liegen. Wenn man ein paar Schritte in den Bunker hineingeht, wird es schnell stockdunkel, sodass wir nur noch mit der Handytaschenlampe etwas sehen können. Die Vorstellung, hier wirklich über einen längeren Zeitraum untergebracht zu sein, ist mehr als beklemmend.
Annette bemerkt nicht ganz zu Unrecht, dass nicht nur die Hunde sich hier unwohl gefühlt haben. Man hat ganz stark das Gefühl an einem bösen, traurigen Ort zu sein. Wir sind froh, als wir die Gemäuer hinter uns lassen und haben dann auch keine Sehnsucht mehr, die restlichen Anlagen oder das nahgelegene Museum zu besuchen.
Schönes Rastenburg
Auch heute ist das Wetter wieder aprilig. In Ketrzyn, dem früheren Rastenburg, wollen wir eine kleine Mittagspause einlegen.
Wir sind spontan vom wunderschönen Stadtsee begeistert, der uns einen tollen Einstieg in die Stadt bietet. Das ist hier alles so schön angelegt, dass wir uns an die hübsche Uferpromenade von Sensburg erinnert fühlen. Stadtparks können sie in Polen! Und auch schicke alte Gebäude entdecken wir.
Himmlische Pierogi
Aber unser eigentliches Ziel liegt gar nicht so sehr im Zentrum, sondern wie sich herausstellt, fast schon in einer Nebenstraße. Da wir beide gerne Piroggen, diese köstlichen gefüllten Teigtaschen, essen, sind wir bei der Suche auf P.H.U. Irena gestoßen. Keine Ahnung, was der sperrige Name bedeutet soll, aber eine Sache steht fest: Bei der Herstellung von Piroggen macht denen keiner was vor, wie wir jetzt feststellen werden.
Zunächst sind wir verunsichert. Der Laden ist kein Restaurant im herkömmlichen Sinne, sondern eher eine Mischung aus Metzgerei und Pommesbude. Von ersterer das eher klinische Ambiente, von letzterer die Möglichkeit, hier auch direkt als Imbiss zu essen, sogar mit 2 Gartentischen in der Laube vor der Tür.
Annette bestellt sich einen süßen und ich einen herzhaften gemischten Piroggen-Teller, der dann kurz warm gemacht wird und, irgendwie zum skurrilen Ambiente passend, auf Plastikgeschirr mit Plastikbesteck serviert wird.
Obwohl das alles jetzt wahrlich keine Stil-Noten bekommt, sind wir völlig aus dem Häuschen. Denn das schmeckt so lecker und so authentisch handgemacht, dass einem danach im Zweifelsfall keine Piroggen aus dem Supermarkt mehr schmecken. Und preiswert ist es noch dazu. Für die 2 Portionen plus Getränk zahlen wir zusammen gerade mal 6 Euro.
Soldaten und Heilige Linde
Was uns heute das erste Mal gehäuft auffällt, sind die uns in regelmäßigen Abständen immer mal wieder entgegen kommenden verschiedensten Militärfahrzeuge. Ob das einfach mit der nahe gelegenen Kaserne zusammenhängt oder mit der von Putin verkündeten Mobilmachung und entsprechender Wachsamkeit?
Als wir für einen Fotostop an der Basilika Heilige Linde anhalten, sehe ich neben mir ein Auto mit deutschem Kennzeichen und einem Mann in Militäruniform am Steuer auf den Parkplatz fahren.
Ich beschließe, dass ich ihn einfach mal frage, ob er etwas weiß, warum heute so viele Soldaten auf der Straße sind. Als er sich zu mir umdreht, sehe ich sofort, dass da etwas merkwürdig ist. Die Uniform ist viel zu groß und wirkt irgendwie zusammengeschustert. Aber vor allem sieht der ältere Mann, der in ihr steckt, so gar nicht nach Bundeswehr aus. Sondern eher wie das, was er ist: Ein Schwarzmarktverkäufer. Er will mir verschiedene Broschüren anbieten. „Oder Zigaretten? Wodka? Bärenfang?“ So wie er aussah, hatte er bestimmt auch Nazi-Gedöns an Bord. Ich winke dankend ab…
Am Jezioro Limajno
Wir wollen etwas Strecke machen und in den Westen von Masuren kommen. Denn eine Station steht noch aus: Guttstadt, heute Dobre Miasto, die Geburtsstadt meines Vaters. Die haben wir uns für morgen vorgenommen, aber für heute gibt es eine gute Alternative, auf die mich ebenfalls mein Vater gebracht hat.
Er erzählte vom Leimangelsee, heute Jezioro Limajno. Wie es der Zufall will, soll es dort einen flammneuen, sogar kostenlosen Stellplatz für Wohnmobile geben, an dem es auch Strom geben soll.
So langsam entdecken wir ein Muster: Fördermittel der EU werden hier gerne für Naherholungsgebiete ausgegeben. Die sind wirklich auf topmodernem Stand und sehr schick ausgebaut. Selbst die Straße hierhin ist feinster Asphalt – eine Wohltat nach den wunderschönen, aber teilweise auch wirklich herausfordernd hubbeligen Alleen.
Im Sommer muss hier die Hölle los sein, wenn wir uns die Park- und Freizeitmöglichkeiten vor Ort ansehen. Heute aber ist hier tote Hose und das meiste ist versperrt. Auch die 5 Womoplätze sind durch hochgestellte Sperren blockiert. So ein Mist!
Aus einer Eingebung heraus gehe ich einfach mal zu einem hin und kontrolliere, ob er wirklich arretiert ist – und siehe da, er lässt sich einfach umklappen. Schon haben wir einen weiteren Übernachtungsplatz am See!
Das einzige, was man bei der Erneuerung vergessen hat, ist ein Funkmast für den Mobilfunk. Wir haben das erste Mal auf unserer Polenreise eine richtig schlechte Internetverbindung…
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