Zakret

16. September 2022

Zakret

Zakret

16. September 2022

Heute müssen wir ein Problem lösen, dass wir gar nicht mehr auf dem Schirm haben: Es mangelt uns an Bargeld.

Wir reisen mit möglichst wenig Barem und haben auch schon einen Dänemarkurlaub problemlos ohne jegliches Bargeld absolviert. In Polen ticken die Uhren da etwas anders. Gerade auf den kleinen Campingplätzen ist bargeldloses Zahlen noch wenig verbreitet. Da wir wider Erwarten länger in Kruttinnen bleiben, haben wir plötzlich zu wenig Geld zum Bezahlen. Auch das Angebot, dass wir gerne in Euro zahlen können, hilft nicht weiter, denn davon haben wir auch nicht genug.

Bares ist Rares

Gestern haben wir im Restaurant den Tipp bekommen, dass man im örtlichen Tante-Emma-Laden beim Einkauf Geld abheben kann. Und zwei Damen, die dort arbeiten, würden auch Deutsch sprechen. Wie praktisch! Da kann ich ja morgens Brötchen holen und direkt das Cash-Problem lösen.

Denke ich mir so naiv.

Als ich in den Laden komme, ist dort lediglich eine junge Frau, die weder Deutsch noch Englisch spricht. Ich nutze das Handy, um von der Übersetzung-App mein Problem schildern zu lassen. Leider stößt das bei meiner Gegenüber nur auf geringes Interesse. Sie schüttelt nur genervt den Kopf und zuckt mit den Schultern als würde sie nichts verstehen.

Da kommt meine Rettung in Gestalt einer älteren Dame, die auf Deutsch fragt, ob sie helfen könne. Ich schildere mein Problem und sie nickt: „Das hat das Handy eben ja auch gesagt.“ Sie erklärt noch einmal auf Polnisch, was ich gerne hätte. Es stellt sich heraus, dass der Betrag auf 200 Zloty am Tag begrenzt ist, aber immerhin sehe ich Land in Sicht.

Fast schon mit Todesverachtung tippt die Bedienung den Betrag in das Kartenlesegerät ein, ich liefere Karte und PIN und: nichts. Nicht gültig.

Souverän zücke ich, aus Deutschland diesen Kummer gewohnt, meine EC-Karte. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich an dieser Stelle schon gestorben… Noch einmal das ganze Prozedere und wieder: nichts.

Meiner weißhaarigen Mentorin erkläre ich, dass ich in Posen problemlos Geld abheben konnte. „Posen! Meine Heimatstadt!“ Aber das sei schließlich auch eine große Stadt… Sie rät mir, ins zehn Kilometer entfernte Piecki zur Bank zu fahren.

Frustriert opfere ich also weiteres Bargeld, um meine Einkäufe zu bezahlen und kehre zum MoMo zurück. Polen macht mich echt fertig: Man findet hier die unfreundlichsten und am wenigsten hilfsbereiten Leute direkt neben wunderbaren Menschen, die sich zerreißen würden, um dein Problem zu lösen. Und wir erkennen da kein System. Es hat nichts mit dem Alter, dem Geschlecht oder der Region zu tun.

Am Ende lösen wir unsere Geldsorgen damit, dass wir den Preis für unsere Übernachtungen und den gestrigen Kajaktransport erfragen und nahezu eine Punktlandung mit unseren verfügbaren Bargeldreserven in Zloty und Euro hinlegen, um unseren (wieder unfassbar netten) Gastgeber zu bezahlen. Jetzt haben wir nur noch etwas Geld, um abends im Restaurant Trinkgeld geben zu können.

Campingplatz Kruttinnen

Wandern zum Muckersee

Da es heute tagsüber stürmische Böen geben soll, ist diesmal keine Kajaktour dran. Wir haben ohnehin festgestellt, dass es dringend mal wieder Zeit wird, zu Fuß unterwegs zu sein. Auch die Hunde danken es uns, dass sie nicht wieder einen Tag brav im Kajak sitzen müssen, sondern viel Bewegung bekommen.

Wanderung zm Muckersee

Wir machen eine schöne Rundwanderung in Richtung Jezioro Mokre, wie der See auf Polnisch heißt. Durch einen Mischwald mit hauptsächlich Birken und Kiefern kommen wir dem See näher.

Wanderung zm Muckersee
Wanderung zm Muckersee
Wanderung zm Muckersee
Ein Wunder, dass der hier durch passt!
Wanderung zm Muckersee

Auch der Wind frischt auf und die leichten Schaumkrönchen auf dem Wasser bestätigen uns, dass es richtig war, heute nicht mit den Kajaks unterwegs zu sein. Aber schön sieht es ja aus, wie Licht und Schatten sich auf dem See abwechseln und das Schilf sich im Wind wiegt.

Wanderung zm Muckersee
Wanderung zm Muckersee
Wanderung zm Muckersee
Wanderung zm Muckersee
Wanderung zm Muckersee
Wanderung zm Muckersee

Zakret

Der eigentliche Höhepunkt kommt aber erst noch auf dem Rückweg durch den Wald. Hier liegt nämlich das Naturreservat Zakret mit seinen Sumpfseen.

Zakret
Zakret
Zakret

Für uns ist es ein ganz besonderer Ort der Stille und des Staunens, in den wir uns schon beim ersten Besuch vor 13 Jahren verliebt haben. Die zarten Birken mit ihren Reflexionen im nahezu schwarzen Wasser sehen auf eine Weise verwunschen aus, dass man sich auch nicht wundern würde, wenn sie hier nachts zu tanzen anfingen.

Zakret
Zakret
Zakret
Zakret
Zakret
Zakret
Zakret

Ganz dazu passend gibt es übrigens ganz in der Nähe das „Verliebte Pärchen“, bestehend aus einer Stieleiche, die einer Waldkiefer aufdringlich nah kommt. Oder, wie Annette trocken kommentiert, „doggy-style“.

Zakret
Zakret

Auf dem Rückweg entdecken wir noch einen alten, schon verschwindenden Friedhof mitten im Wald. Die Namen auf den Grabsteinen geben wieder Hinweise auf die deutschen Vorfahren und so manch trauriges Schicksal, wie beispielsweise die Grabstelle für die beiden jung verstorbenen Kinder einer Familie.

Friedhof

Christinas Stimme

Abends beschließen wir noch einmal essen zu gehen. Da es genau ein Restaurant gibt, was noch geöffnet ist, gehen wir wieder ins Syrenka. Ein absoluter Glücksgriff.

Denn nicht nur bekommen wir einen kleinen Geheimtipp für unseren morgigen Stellplatz und können wieder lecker speisen.

Syrenka
Kartoffelkuchen: herzhaft!
Syrenka
Racuchy – masurische Apfelpfannküchlein

Sondern wir treffen auch Waldemar und seine Frau, mit denen wir gestern dort auch schon kurz gesprochen hatten. Die beiden setzen sich zu uns und erzählen, dass sie schon öfter hier waren, da Waldemar aus der Gegend stammt.

In meinem Kopf rattert es, da er vom geschätzten Alter her unmöglich so alt sein kann, dass er noch zu den Kriegsflüchtlingen gehört. Es stellt sich heraus, dass er mit 15 Jahren Masuren verlassen hat, als es aber schon polnisch war. Seit einigen Jahren würden sie aber regelmäßig wieder hierhin fahren.

Wir erzählen davon, dass wir hier vor 13 Jahren bei „Christina“ gewohnt hätten, die uns damals, mit 80 Jahren, noch in einem Boot auf der Kruttinna gestakt hat. „Ja, die kennen wir, die haben wir gerade noch im Altersheim in Nikolaiken besucht.“ Unglaublich, wie klein die Welt dann doch wieder ist…

Und als sei dem noch nicht genug, zückt Waldemar sein Handy, als ich erzähle, dass ich es so geliebt habe, ihren ostpreußischen Zungenschlag zu hören. Sie habe beim Besuch ein Gedicht aufgesagt, was sie auswendig konnte und er habe es aufgenommen. Wir lauschen im Restauranttrubel der Stimme und es gibt keinen Zweifel: Das ist wirklich die gleiche Person! Wir sind ganz gerührt.

2 Kommentare

  1. Hallo Ihr Lieben,

    in dieser Tages-Etappe steckt ja viel Interessantes drin. Ich kann den Gefühlscocktail, der sich aus der Bargeld-Episode ergibt, förmlich spüren. Ähnliche Situationen hatten wir auf unseren Reisen auch schon! 😉

    Du bringst die Umschreibung derjenigen Menschen, die sehr genervt sind und derjenigen, die sich für Dein Problem zerreißen würden, so bildhaft auf den Punkt.👍

    Fasziniert hat mich zudem der verschwindende Friedhof. Die Inschriften des Grabsteins lassen so weitreichende Interpretationsspielräume zu, dass allein diese Entdeckung zur Beschreibung eines ganzen Tages ausgereicht hätte.

    Die Geschichte um „Christina“ hat mich abschließend wirklich berührt. Einmal mehr zeigt sie auf, wie wir Menschen in der Lage sind, Fußabdrücke in den Köpfen der anderen zu hinterlassen. In dem Fall hat Christina das mit Euch getan. Ich möchte dran glauben, dass sie dasselbe von Euch sagen würde!

    Fühlt Euch weiterhin beobachtet! 😉

    Herzliche Grüße aus Soltau 👋

    Antworten
    • Hallo Ronny,

      jetzt bin ich wirklich ein bisschen stolz. Vielen Dank für das liebe Feedback.
      Genau für solche Leser wie dich schreibe ich jeden Abend!

      Der Friedhof hat mich auch sehr berührt. Wenn man Kinder hat, denkt man da immer noch mal anders drüber nach.

      Liebe Grüße
      Micha

      Antworten

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