Wir merken, dass wir in Masuren sind: Am frühesten Morgen hört man in der Ferne die Hirsche ihre Brunftschreie ausstoßen und gleichzeitig trompeten die ersten Kraniche, um den Tag zu begrüßen. Das ist schon besonders!
Auch der morgendliche Nebel, der über allem liegt, gibt der Landschaft etwas herrlich verwunschenes. Und da die Sonne scheint, kann man zusehen, wie sich der Nebel immer mehr in Dunst verwandelt und schließlich ganz verschwindet.
Verzögerte Abreise
Für uns ist klar, dass wir abreisen müssen. Denn durch die vielen Standtage bei nur schwachem Sonnenlicht gehen wir trotz Solarpanel auf dem Dach stromtechnisch ziemlich auf dem Zahnfleisch. Hatte ich für September nicht wirklich erwartet und damit haben wir ein jetzt ein Problem. Denn ich Schlaumeier habe unser Adapterkabel für den blauen Campingstromstecker auf Schukostecker zu Hause gelassen. Und hier in Polen ist auf den Campingplätzen praktisch immer Schuko das Mittel der Wahl. Dumm gelaufen!
Ich frage unseren freundlichen Platzbetreiber nach einem Geschäft in der Nähe, wo wir ein solches Kabel besorgen könnten. Er hat aber noch eine viel bessere Idee: Er organisiert aus dem Wohnwagen seines Schwiegersohns, welcher quasi neben uns steht, wie von Zauberhand das fehlende Kabel und voilà! haben wir Strom und können noch eine Nacht hier bleiben.
Denn der Platz hier gefällt uns richtig gut. Wahrscheinlich sind wir damit sogar in der Minderheit, denn alle Einrichtungen haben einen eher vergänglichen Charme und sind wahrlich nicht auf der Höhe der Zeit. Aber da wir sowieso weitestgehend autark sind, stört uns das herzlich wenig. Da sind uns die traumhafte Lage am See, unser freundlicher Platzbetreiber und vor allem die absolute Stille auf diesem Platz bei Weitem wichtiger. Man muss aber trotzdem sagen: 16 Euro pro Nacht sind für diesen Platz im eigentlich preiswerten Polen schon ein stolzer Preis.
Unverhoffte Kajaktour
Wir waren uns gestern einig, dass es eigentlich ein Jammer ist, dass wir hier nicht gepaddelt sind. Umso klarer ist der Plan für den heutigen Tag: Ab aufs Wasser!
Wir können hier nämlich nicht nur über den See schippern, sondern können ein kleines Stück der Kruttinna-Route absolvieren.
Für alle Nicht-Paddler und Nicht-Masurenkenner: Die Kruttinna ist ein wildromantischer Fluss, der sich hier durch das masurische Seengebiet schlängelt. Nicht zu Unrecht zählt die Krutynia (so die polnische Schreibweise) zu den tollen Paddelrevieren für Anfänger, da es keine Stromschnellen zu befürchten gibt, sondern man gemütlich durch die masurische Landschaft hindurchgleiten kann.
Für mich hat sie sogar eine ganz persönliche Bedeutung: Wie mein Vater mir erzählte, als wir vor 13 Jahren hier waren, war das Paddeln auf der Kruttinna die Hochzeitsreise meiner Großeltern, von der meine Omi immer schwärmte.
Unter den gestrengen Augen Ellis bauen wir die Scubis auf und fahren los.
Versteckter Fluss
Wir müssen erst mal über Biale-See ans andere Ufer kommen. Und obwohl kein starker Wind herrscht, ist dieser erste Teil richtige Arbeit. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie sehr einem eine große Wasserfläche das Gefühl für Geschwindigkeit und Entfernungen nimmt. Denn gefühlt kommen wir im Schneckentempo voran. Gemessen an der Bugwelle des Kajaks sind wir aber in ordentlichem Tempo unterwegs.
Am anderen Ufer orientieren wir uns an den paar Stegen, die dort im dichten Schilf ins Wasser führen. Aber der Beginn der Kruttinna, die hier den Biale-See mit dem Gant-See verbindet, bleibt zunächst verborgen. Gut, dass wir das per App noch mal überprüfen können: Doch, es muss hier den Zugang geben.
Dieser taucht dann wirklich erst auf, wenn man quasi davor steht. Was dann kommt, lässt uns ebenso schwärmen wie die Altvorderen.
Wunderbare Kruttinna
Wir verlassen den See und befinden uns in einem stillen, ehrfurchtgebietenden Waldstück. Die Bäume ragen hoch hinaus und wir gleiten auf dem höchsten 50 Zentimeter tiefen Fluss hindurch. Denn das ist das tolle hier: Durch die sanfte Strömung kann man wirklich den Fluss die Arbeit machen lassen und muss allenfalls mal sanft den Kurs korrigieren. Ansonsten kann man sich hier durchschleusen lassen, wie auf einer Bahn im Freizeitpark. Nur viel toller!
Denn es gibt immer was zu sehen. Schilf und Seerosen begleiten uns praktisch ständig. Auch umgestürzte Bäume wollen immer mal wieder umfahren werden.
Und wenn man Annettes Adlerblick hat, entdeckt man auch einen Eisvogel, der immer mal wieder den Fluss aufwärts fliegt und sich in Sicherheitsabstand bringt.
Als wir am Gant-See ankommen, sind wir fast schon enttäuscht: Das war jetzt schon alles? Wir sind uns einig: davon können wir noch mehr brauchen. Für heute heißt es aber umkehren.
Was den Vorteil hat, dass wir das famose Flussstück gleich noch einmal befahren dürfen. Allerdings auch den Nachteil, dass wir wieder (jetzt allerdings deutlich müder) den See überqueren müssen. Erschöpft aber glücklich kehren wir zum MoMo zurück.
Wir sind uns sicher, dass da in den kommenden Tagen noch ein paar Etappen auf der Kruttinna für uns drin sind.
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