Wir sind perplex. Gestern hatten wir noch gedacht, was für ein Luxus dieser große Parkplatz mitten im Ort ist, der als Womo-Stellplatz dient. Wir hatten auch schon die Hinweise auf den „Wandertag“ gelesen, der heute sein soll. Aber wer würde bei so einem elenden Wetter da schon teilnehmen? Viele, wie sich jetzt herausstellt.
Wandertag auf Französisch
Denn als wir um 8 Uhr einen ersten Blick aus dem Alkovenfenster werfen, können wir kaum glauben, was wir sehen: Der ganze Parkplatz ist vollgeparkt, ein Start-Ziel-Luftrahmen wie bei der Tour de France ist aufgebaut und es fahren immer weitere Fahrzeuge auf den Platz und finden teils sehr kreativ immer noch einen Parkplatz. Wir sind uns sicher: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir hier zugeparkt werden. Aber wir dürfen lernen, dass die Franzosen zwar kreativ, jedoch nicht asozial parken. Es bleibt an allen Stellen noch genügend Platz, dass die Fahrzeuge auch wieder ausparken können.
Dieser Journée de la Randonnée wird hier übrigens großzügig ausgelegt: Es wird gewandert, gelaufen, gekajakt und gefahrradfahrt. Ein erstaunlich großes Event für so ein kleines Städtchen!
Fasziniert sehen wir den Starts der einzelnen Gruppen zu und freuen uns insgeheim, dass wir im warmen und trockenen MoMo unser Frühstück vertilgen, dass Annette in der Boulangerie besorgt hat.
Normannisches Hinterland
Heute ist unser erster Tag ohne lange Fahrtstrecke. Wir sind zwar noch nicht in der Bretagne, aber so genau wollen wir das nicht nehmen. Denn das Departement La Manche, dieser Zipfel, der östlich vom Mont St. Michel in den Kanal hineinragt, hat auch ein paar lohnenswerte Ziele, die wir zumindest mal anreißen wollen.
Wir fahren daher nicht nach Westen, sondern in nördlicher Richtung. Dort gibt es mit der Ferme de la Rouge Fosse einen Bauernhofstellplatz, wie er schöner kaum angelegt sein könnte. Liebevoll angelegte großzügige Plätze hinter dem schmucken Haupthaus, die von einer Hecke umrahmt werden und ihr eigenes Apfelbäumchen haben. Für 7 € (oder +3 € für V/E von Wasser/Grauwasser) fast schon peinlich wie preiswert das ist.
Obama Beach
Und perfekt gelegen ist der Platz auch noch: Nach Westen geht es in einer Stunde Fußmarsch zur Pointe Du Hoc. Im Osten ist in gleicher Entfernung der von der Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg bekannte Omaha Beach, der bei uns jetzt aufgrund Annettes Sachverstand nur noch Obama Beach heißt. Wir haben also die Qual der Wahl.
Sackgasse Nummer Eins
Wir beschließen, erst mal die 500 Meter bis zum Meer zu gehen und uns dann inspirieren zu lassen, ob wir nach Westen oder Osten wollen.
Aber als wir in die Straße Richtung Meer einbiegen, sehen wir nach wenigen Metern ein Schild, dass nicht nur eine Sackgasse anzeigt, sondern auch den Durchgang für Fußgänger verbietet. Hä?
Annette erkundigt sich sicherheitshalber bei einer Frau in einem Haus am Wegesrand: Ja, der Weg sei gesperrt.
Frustriert drehen wir um und beschließen, auf der Straße in Richtung Pointe Du Hoc zu laufen, da es dort schneller die nächste Abzweigung in Richtung Meer geben soll.
Am Straßenrand fallen uns die amerikanischen Flaggen und die Portraits von amerikanischen Weltkriegshelden auf. Die Geschichte wird in dieser Region offensichtlich am Leben gehalten.
Sackgasse Nummer Zwei
Auch am zweiten Weg in Richtung Meer ist ein Zufahrt-verboten-Schild und es wird eine Sackgasse angezeigt.
Aber diesmal sind wir mutiger. Wir entscheiden uns dazu, einfach mal den Weg langzulaufen. Umkehren können wir immer noch. Aber der Weg endet tatsächlich an einem Maisfeld, obwohl wir das Meer schon sehen können. Also gehen wir durchs Maisfeld, müssen noch entlang eines Ackers und kommen zu einem perfekt angelegten Uferweg.
Was uns komisch vorkommt: Hier ist keine Menschenseele unterwegs. Bei akzeptablem Wetter. An einem Sonntag. Was stimmt hier nicht?
Uns ist das erst mal wumpe. Die Sonne scheint, unter uns das Meer mit Schaumkrönchen in verschiedenen Blau- und Grüntönen – was wollen wir mehr?
Sackgasse Nummer Drei
Nun, vielleicht, dass man einen Weg einfach mal zu Ende gehen kann. Denn nach wenigen hundert Metern kommen wir an eine Baustelle und der Weg in Richtung Pointe Du Hoc ist gesperrt. Frust!
Wir beschließen, einfach auf dem perfekten Küstenweg wieder zurückzugehen und uns so weit in Richtung Obama Beach (man kann sich an den Namen wirklich gewöhnen) zu gehen, wie es uns Spaß macht.
Unterwegs werden wir von ein paar Schauern durchnässt und stehen kurz danach wieder in der Sonne. Im Hause Mönsters nennt man so was Irland-Wetter. Kann uns nicht wirklich schocken, denn dafür ist es einfach zu toll, oberhalb des Meeres entlang zu wandern und den frischen Wind auf der Haut zu spüren.
Falsche Sackgasse
Der Weg in Richtung Osten zieht sich. Und da wir nicht genau wissen, welcher Umweg uns auf dem Rückweg noch erwartet, kehren wir an der Stelle um, wo man einen ersten Blick auf den Obama Beach (gebt zu: mittlerweile denkt ihr auch, dass der so heißt!) werfen kann.
Unser Plan ist es, an dem Weg, den wir ursprünglich nehmen wollten, einfach mal landeinwärts zu gehen, um zu checken, ob da wirklich eine für Fußgänger verbotene/gefährliche Stelle kommt. Und siehe da: Es gibt genau gar keinen Grund, warum man diese Straße für Fußgänger sperrt. Zumindest keinen, der uns auch nur im entferntesten einleuchtet.
Wolkenleuchten
Zurück auf dem Bauernhof machen wir es uns im MoMo gemütlich. Für einen Aufenthalt im Freien ist es einfach noch zu unbeständig. Aber wir genießen es genau so sehr, den Blick über die Landschaft vor uns schweifen zu lassen und nebenbei noch unsere ersten Tartelette Citron und Pain de Raisin zu verspeisen.
Abends fangen die Wolken absurd an zu leuchten und sind gleichzeitig so scharf konturiert, dass es aussieht wie ein Gemälde. Kleiner Vorgeschmack auf kommende Sonnenuntergänge am Meer.
Ein super Bild von Michael und Toffi.
Liebe Grüße Gerhard