Heute ist Frühaufstehertag für unsere gebuchte Kanutour. Nicht nur für uns, sondern auch für die Berliner Verwandtschaft, die schon um halb sechs raus muss. Respekt!
Um 8 Uhr geht die Tour durch die Schwedter Polder los. Da vor den flachen Gewässern und versteckten Stöcken im Wasser gewarnt wird, lassen wir die Scubis mit ihren Luftkammern lieber in der Heckgarage und setzen uns in ein Doppelkajak mit festem Rumpf. Wie sich später herausstellt, ist das zwar schlau, aber auch ein leichtes Handicap…
Original Uckermark
Unser Tourguide hat original Uckermarker Temperament. Da ist alles seeehr bedacht und langsam. Jedes Wort wird abgewogen und nur das nötigste wird auch gesagt. Aber bei mir macht es irgendwie auch Klick und ich verstehe Angela Merkel auf einmal viel besser. Gemessen an diesem doch recht gebremsten Temperament ist sie ein regelrechtes Kommunikationswunder. Für diesen Menschenschlag ist die Wendung “mit stoischer Ruhe” erfunden worden.
Was unser Tourguide aber auch mitbringt ist der trockene Humor der Kanzlerin. Und wer schon mal einen Auftritt des Satirikers Nico Semsrott gesehen hat, wird unweigerlich an ihn erinnert. Der selbsternannte Demotivationstrainer fügt in seine Sätze auch gerne ein „Genau.“ ein, als müsste er sich selbst vergewissern, dass das, was er eben gesagt hat, auch richtig ist. Oder ein „So.“, das klingt, als müsste er sich selber ermahnen, mal weiterzureden.
Unflotter Zweier
Unser Zweier-Kajak bringt ungeahnte Probleme mit sich. Und das recht heftige Gewicht von weit jenseits der 30 Kilo ist noch das Geringste. Das stört nämlich nur bei den 3 Umtragungen, wo wir den Kajak über den Deich hieven müssen.
Wesentlich heftiger erwischen uns die irgendwie gefühlt viel zu kurzen Paddel und die Koordination, die man zu zweit hinlegen muss. Wir torkeln auf dem ersten Teilstück wie Besoffene nach dem 10. Schnaps über die Friedrichsthaler Wasserstraße. Und das Peinliche ist, dass sich das bis zum Ende nicht wesentlich ändert. Wir sehen aber das Positive: Was ein Glück, dass wir uns leichte Einer-Kajaks gekauft haben!
Gemeiner Wasserfarn
Nach der ersten Umtragung kommt der wirklich spannende Teil der Tour. Wir biegen ab in die Schwedter Polder und kämpfen uns auf schmalen Wasserstraßen vorwärts. Solange man links und rechts noch Platz zum Einstechen der Paddel hat, ist das ein wunderbares Naturerlebnis. Wenn man durch eine komplett von Wasserfarn bedeckte Wasseroberfläche fahren muss, wird es abenteuerlich. Das ist dann nämlich so, als würde man sich durch dicke Melasse hindurcharbeiten. So ähnlich muss sich Treibsand anfühlen…
Eng und schmuddelig
An manchen Stellen wird es dann haarig. Wir fahren durch schmale Passagen, die links und rechts von Schilf eingefasst sind. Und das Schilf hier besteht wirklich aus harten Schilfrohren, die gegen die Paddel klackern und ein gezieltes Fahren nicht leichter machen. Aber solange man nicht von einem Schilfrohr geschlagen wird, ist alles machbar.
Entnervender sind da schon die Wasserpflanzen, die wir uns regelmäßig ins Boot schleudern. Der Kajak sieht schon nach kurzer Zeit aus als hätten wir einen Tarnkurs bei der Bundeswehr gebucht.
Wunderwelt
Was hingegen ganz großartig ist, ist die komplett neue Sichtweise auf die Landschaft. Da wir oft nur Schilf rechts und links von uns sehen, ist die Überraschung groß, als uns auf einmal eine Kuh über den Rand anschaut. Da sind ja große Wiesen und nicht unendliche Weiten mit Schilf!
Und ganz skurril wird es, als wir vor uns mehrere Tiere das Wasser durchschwimmen sehen. Für Otter irgendwie zu groß – also müssen es doch Biber sein? Unser Führer aber weiß Bescheid: Nein, die hatten Ohren. Es waren also Wildschweine, die da zügig vor uns das Weite gesucht haben. Wie schnell die schwimmen können!
Halbzeit
Nach einiger Zeit gibt es doch tatsächlich einen kleiner Anleger, wo wir die Boote vertäuen und Pause machen können. Elli ist sichtlich erleichtert, dass sie mal wieder festen Boden unter den Füßen hat und nimmt gerne die Gelegenheit wahr, ein ums andere Mal hinter Stöckchen herzulaufen. Und wir haben Zeit, mal die Glieder zu strecken und uns zu stärken. Denn es ist gerade mal Halbzeit.
Schmerzen
Der zweite Teil der Tour führt uns noch einmal durch eine tolle Auenlandschaft hinüber zur Alten Oder. Aber mein Rücken und meine Arme melden sich das erste Mal und finden es gar nicht mal so gut, dass die längere Tour 11km dauert. Auf dem Papier sah das absolut harmlos aus. In der Realität kann ich mich, als wir nach 6 Stunden am Wassersportzentrum ankommen, nur noch eingeschränkt bewegen. Aua!
Den Nachmittag verbringen wir dann mit unserem Besuch vor dem MoMo und ruhen uns aus. Aber je später der Abend wird, um so mehr tut alles vom Nacken bis zur Körpermitte weh. Komischerweise nur bei mir und so gar nicht bei Annette. Gut, dass sie vor mir gesessen hat – sonst hätte ich glatt die Idee haben können, dass sie die Hände in den Schoß gelegt hat und sich lediglich von mir hat kutschieren lassen!
Double Rainbow
Am Abend werden wir dann noch von einem plötzlichen Regenguss überrascht – der stand doch gar nicht im Wetterbericht! Aber wenn er dann so einen farbintensiven Regenbogen an den Himmel zaubert, soll mir das recht sein!
Und fast noch besser ist der kitschig rote Abendhimmel, den wir beim Sonnenuntergang geboten bekommen. Da ich mich zu diesem Zeitpunkt kaum noch bewegen kann und möchte, flitzt Annette nach draußen, um das mit dem Handy zu fotografieren. Sag noch mal einer, mit einem Handy könne man keine tollen Fotos machen!
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