Das haben wir nicht kommen sehen.
Regen. Regen. Regen.
Grau. Grau. Grau.
Ohne Internetwetterbericht hat uns das kalt erwischt. Nachdem wir in den letzten Tagen wirklich sonnenverwöhnt waren, ist es uns gar nicht in den Sinn gekommen, dass es in Schottland ja durchaus auch mal regnen kann. Aber es hat auch sein Gutes. Denn so haben wir die letzten Tage damit verbracht, uns über die tolle Landschaft zu freuen und nicht schon bei den Gedanken an das schlechte Wetter der kommenden Tage zu verzweifeln.
Wir machen also das beste aus dem stoischen Trommeln der Regentropfen auf das MoMo-Dach. Gemütlicher Morgen und irgendwann dann doch aufbrechen, wenn der Regen heller wird.
Calgary Beach
Über die sich abenteuerlich bergauf und bergab windende Single-Track-Road fahren wir in Richtung Tobermory. Es ist hier so herrlich grün und verwunschen, dass wir uns an Irland erinnert fühlen.
Als wir dann einen Pass mit steilen Kurven hinter uns haben, taucht vor uns der tolle Strand von Calgary Beach auf. Selbst bei diesem trüben Wetter atemberaubend schön.
Unten am Strand gibt es einen Parkplatz mit Toilettenhäuschen, der aber eine besondere Form der Womoverhinderung bietet: Die Zufahrt ist so verengt worden, dass vielleicht noch ein Kastenwagen, aber nichts größeres mehr durchkommt. kurz darauf gibt es aber einen größeren Parkplatz mit (leider geschlossener) Eisbude, an dem keinerlei Womoverbote bestehen. Uns ist es recht.
Denn trotz des Tröpfelregens machen wir uns auf dem Weg zum Pier, an dem man angeblich auch Otter beobachten könnte. Bei uns sind es aber nur die unvermeidlichen Schafe und Wasserlilien.
Ein Stück weit die Straße hinauf soll es einen Skulpturengarten und dahinter ein Café geben. Wir gehen über die Wiese links der Eisbude und denken, dass wir schon bald auf die erste Skulptur stoßen werden.
Aber das einzige, was wir finden, ist ein Reh, das schnell das Weite sucht. Und auf einer Anhöhe haben wir das erste mal seit 4 Tagen wieder 4G-Internet. Zivilisation! Aber keine Skulpturen. Stattdessen sind wir gut durchnässt und freuen uns über ein bisschen Wärme, Scones und Carrot Cake im Carthouse Café. Die Skulpturen sparen wir uns für besseres Wetter auf…
Tobermory, Inselhauptstadt mit ohne Charme
Unser Plan ist es, auf dem Campingplatz von Tobermory Strom zu tanken und ein bisschen durch die Stadt zu bummeln. Aber als wir den Campingplatz sehen, sind wir doch etwas ernüchtert. Direkt an der Straße und nicht besonders gepflegt wirkend. Das hatten wir uns anders vorgestellt. Also doch lieber weiter? Wir haben ja noch die Empfehlungen für den neuen Campingplatz in Pennygown und der Platz in Crannich aus dem Mull-Prospekt sieht ja auch schöner aus als das hier. Also weiter!
Tobermory empfinden wir dann irgendwie zwiegespalten. Und vielleicht ist es ja auch nur das Wetter. Aber bis auf die wirklich hübsche bunte Häuserfront am Hafen und ein paar nette Shops, insbesondere Tobermory Chocolate, hat uns die Stadt nicht wirklich gekriegt. Alles hat irgendwie eine leicht ranzige Patina, ist aber noch nicht im Stadium von „so kaputt, dass es wieder gut ist“.
Skurriles Erlebnis im Coop: Wir kaufen nur ein paar Sachen ein und legen unsere Sachen aufs Laufband an der leeren Kasse. Daraufhin werden wir freundlich darauf hingewiesen, dass es eine „1 queue“-policy gebe und wir uns doch bitte hinten anstellen mögen. Und tatsächlich: Am anderen Ende des engen(!) Shops sehen wir jetzt Leute, die eine Schlange bilden, um sich dann wieder an die Kassen zu begeben. Da das alles aber nicht wirklich durchdacht und gekennzeichnet ist und der Raum dafür auch nicht gebaut wurde, wird es wahrscheinlich jeden Tag Dutzende Male passieren, dass Leute sich falsch anstellen. Und man mehr Zeit mit der Korrektur als dem Kassieren verbringt…
Immerhin stimmt aber die Empfehlung, dass es im Fish&Chips-Wagen am Anleger wirklich leckere Fish&Chips gibt. Wobei wir beide den Fisch besser als die Pommes fanden. Und die Möwen, die uns beim Essen argwöhnisch beäugen, ob was für sie abfällt, scheinen uns bis zum MoMo zurück zu verfolgen…
Stellplatzjagd
Es soll jetzt für uns ganz unkompliziert weiter gehen. Landschaft genießen, Campingplatz aufsuchen, ausspannen. Bis auf ersteres kommt aber alles ganz anders.
Der Blick hinunter auf den Sound of Mull ist grandios. Leider können die Handyfotos die grandiose Lichtstimmung mit düsterem Himmel und hellglänzendem Meer nicht wiedergeben. Wunderschön. Ebenso wie die plötzlich zweispurige Straße – das ist ja ein wahrer Geschwindigkeitsrausch!
Und auch als wir auf Meereshöhe ankommen werden die Fotomotive nicht weniger. Ein paar Schiffswracks liegen fotogen am Wegesrand.
Kurz danach dann die Entscheidung: in die Berge nach Crannich oder am Loch bleiben und nach Pennygown? Wir entscheiden uns für Luxus mit dem flammneuen Stellplatz am Meer. Aber als wir dorthin kommen, sind wir erst mal ernüchtert. Der Platz wirkt noch eher wie ein Neubaugebiet, in dem schon mal die Plätze vorbereitet sind. Schön ist hier wirklich noch gar nichts (außer vielleicht den modernen Facilites). Und es kommt noch schlimmer: Plätze mit Strom gebe es leider gar keine mehr: fully booked! Und das war eigentlich unser Hauptgrund, den Platz aufzusuchen!
Aber wir haben ja noch Plan B: Der Stellplatz in Crannich. Das liest sich ja auch alles gut. Dann eben wieder ein paar Meilen zurück fahren und ins Inland. Wieder vorbei an unseren Schiffswracks. Und dann into the middle of nowhere. Ruppelig, Single-track of course. Und ein Tor vor dem Stellplatz, das man zu Fuß öffnen muss.
Und natürlich, der geneigte Leser ahnt es schon: alle 6 Plätze fully booked… Auf mein „It‘s only May!“ antwortet der nette Betreiber nur mitleidig grinsend „best season!“ Schade, der Platz hatte was!
Jetzt ist guter Rat teuer. Auf Mull gehen uns die schönen Optionen aus. Also noch eine Nacht ohne Strom zu tanken? Müsste gehen. Dann ab aufs Festland. Wir steuern die Fähre von Fishnish nach Lochaline an.
Und haben Glück: Denn wir kommen um 19 Uhr auf die letzte Fährüberfahrt des Tages. Als einziges Auto neben einem fröhlichen Radfahrer, der die Bordcrew wie alte Freunde begrüßt – was sie wahrscheinlich auch sind…
Rauhe Morvernhalbinsel
Es ist unser Glück, dass es hier im Norden noch so lange hell ist. So können wir jetzt verschiedene Stellplatzideen abklappern. Und die Fahrt durch die urwüchsige Morvern-Halbinsel ist ein echtes Erlebnis. Wunderschöne karge und doch abwechslungsreiche Landschaft.
Wollen wir direkt im Fährort Lochaline an einem zugewachsenen Aussichtspunkt stehen? Nö.
Am Loch Arienas sieht es gewaltig gut aus. Aber als wir aussteigen, fallen innerhalb kürzester Zeit die Midges über uns her. Mistviecher! So schnell kann man ja gar nicht wieder einsteigen, dass man die nicht ins Womo bekommt! Also wieder nix.
Wir landen schließlich am Pass Richtung Liddesdale und können in den Wolken sogar den Loch Sunart ausmachen. Wild, urig, schön. Und keine Midges.
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